Klaus Stanke; Peter Koch 22. 04. 2021
Kreativität & Computer und der kreative „Kick“
Unter Nutzung des Komplex 4 (4.2-4.4) der Rohrbacher Manuskripte Heft 23 „50 Jahre Systematische Heuristik“ [1].
1. Zu vorgefundenen Tendenzen der Entwicklung von Kreativitätstechniken (KT).
Das Angebot zu Kreativitätstechnik-Systemen für Aus- und Weiterbildner ist durch eine große Zahl unabhängig voneinander agierender Autoren aktuell sehr vielfältig. Auch ein Bestreben zu größerer Vollständigkeit, Spezifik und Detailliertheit/Komplexität ist erkennbar, zunehmend mit dem Ziel, so besonders wirkungsvolle methodische Hilfen für die Nutzer zu schaffen. Das Bestreben vieler Aus- und Weiterbilder von KT aller Art, von Autoren und Anwendern usw., die Zahl, Detailliertheit, Komplexität und Spezifik der Methoden der KT („Einzel“-KT wie den morphologischen Kasten oder KT-Systeme wie TRIZ, die in sich viele solcher Methoden integrieren) in vielfältiger Form fortschreitend zu erweitern, scheint der Hoffnung zu genügen, damit doch den kreativen Schluss für die radikale Widerspruchslösung bzw. Innovation mit zu erfassen. So eine Hoffnung stützt die Illusion, auch das unmittelbare, direkte, letztendliche Generie-ren, den letzten schöpferischen Schritt zur kreativen Idee durch die KT leisten zu können. bzw. dies mit einer dieser immer spezieller werdenden Erweiterungen letztlich doch zu erreichen.
Dazu soll hier nachfolgend Stellung genommen werden und einige Schlussfolgerungen dazu – so auch für die Simulation eines „kreativen Schlusses“ mittel Computer – vorgestellt werden.
Sicher ist, gute KT, richtig angewendet, führen an die kreative Lösung heran. Sie fördern mit dem Erkennen des Problemkerns und des Hauptwiderspruchs, der kreativen Suchfrage, einer geeigneten Suchrichtung und dem potentiellen Such-Raum den kreativen Schluss und damit die Lösungsfindung. Sie bieten mitunter auch „Kristallisationspunkte“ für die Lösungsidee. Sie unterstützen das methodisch-systematische Vorgehen und das Finden des systematischen Weges. Das ist für effektives, kreatives Arbeiten immer relevant und zu unterstützen. Aber der unmittelbare „kreative Schluss“ als Auslöser der kreativen, kompromisslosen Idee (wenn nicht eine Optimierungsaufgabe zur Lösung ausreichen soll) ist bei diesen Weganleitungen (Methoden) nicht hinreichend oder generell nicht mit enthalten. KT sind für effektives, kreatives, methodisch-systematisches Arbeiten im Problemlösungsprozess unverzichtbare Hilfen, aber sie ersetzen nicht den die neuartige Lösung generierenden kreativen Kopf, das „präsente und schlummernde“ Wissen und das kreativitätsfördernde Umfeld.
KT-Methoden sollen anregen, nicht reglementieren; helfen und unterstützen, nicht ersetzen oder die Lösung „vorgeben“. Sie können damit erstrebenswerter Weise ein methodisch-systematische Vorgehen ermöglichen, statt des probierenden oder vorwiegend intuitiven Arbeitens. Aber auch bei hoher Detailliertheit der Anleitung (KT) erfassen sie nicht den kreativen „Kick“, der es erst dem Kopf ermöglicht, die Idee zu generieren und ihre Innovationsfähigkeit vorausschauen zu erkennen.
Es ist bekannt, dass das Vorgehen für den Übergang von einer Funktion oder einer Variablen und den aus ihnen abgeleiteten Suchfragen zu einem potentiellen Such-Raum für neuartige, „radikale“ innovationsträchtige Lösungsideen unbestimmt und mehrdeutig ist. Lösungsfindungsmethoden können – s. oben -, die Lösungsfindung wirksam vorbereiten und die Kreativität für auch radikale Innovationen aktivieren. Sie können jedoch die Mehrdeutigkeit und Unbestimmtheit dieses Übergangs zur neuartigen, originellen innovativen Lösung des Widerspruchs, der Hindernisse, der Barrieren in letzter Instanz nicht ohne den „kreativen Schluss“, den kreativen „Kick“ bewältigen. Es ist ein solcher kreativer „Kick“ nötig, der häufig in der Literatur und in Methodiken als Intuition – siehe zum Begriff Intuition auch Ende Abschnitt 3 – ausgelöst z.B. durch Inspiration, Assoziation, Eingebung, Gedankenblitz, Reflexion, Analogie, Suchen neuer Blickwinkel beschrieben wird.
Andernfalls wird oft auch durch Identifikation auf mehr oder weniger Bekanntes zurückgegriffen, das damit zur Lösung des Problems/Widerspruchs durch Optimieren führen kann. Auch so können natürlich wertvolle innovative Lösungen gefunden werden.
Es ist außerdem zu beachten, dass es in diesem Übergang von der Suchfrage zur Lösung potentiell mehrere funktionserfüllende Strukturen, Varianten, Effekte bzw. Lösungsideen gibt. Ideen zu finden ist aber nur ein erster Schritt zum Erfolg beim Finden innovativer Lösungen. Nicht selten ist dieser erste Schritt sogar relativ einfach und bringt viele Ideen hervor, wenn der Problemkern und der Hauptwiderspruch gut herausgearbeitet werden konnten und eine klare Suchfrage vorliegt. Das reicht jedoch nicht aus.
Es wird mit einem zweiten Schritt notwendig, in dem generierten Ideenfeld innovations-trächtige, widerspruchslösende neuartige, noch nie dagewesene Ideen in ihrer künftigen Bedeutung vorausschauend zu erkennen. Auch dieser zweite Schritt des Erkennens erfordert neben einem angemessenen Wissen für den kreativen Schluss eine bedeutende, komplexe kreative Leistung. Erst danach später wird davon ausgehend in der Regel mit gedanklichen Modellen und Experimenten usw. eine weitere Vertiefung der Erkenntnisse zum Innovationspotential erarbeitet.
Diese beiden Schritte 1+2 für den kreativen Schluss verschmelzen im kreativen Problemlösungsprozess. Sie werden dem Bearbeiter nur bedingt bzw. zum Teil bewusst. Sie sind in der Regel das letzte, recht elementare, aber immer wieder notwendige Glied zur kreativen Lösungsfindung. Auch die komplexen, diskursiven Lösungsmethoden führen in „der Tiefe“ auf diesen elementaren kreativen Schluss zurück.
Diese Schritte 1 und 2 sind verschieden modifiziert, jedoch prinzipiell in den typischen Lösungsfindungsmethoden eingebunden. Der Erfolg in dieser Phase hängt auch ab von dem flexiblen, kreativen Wechseln, dem Springen zu und zwischen den verschiedenen Zielmodellen, den Ansatzpunkten, dem Bilden neuer Begrenzungen, Ebenen, Feldern bzw. Bezugsräumen und Möglichkeiten. Zu viel davon wäre hinderlich bzw. zu aufwändig und ein zu frühes einspuriges Denken würde die Kreativität einschränken. Auf dieses in folgenden Ausführungen als „Manövrieren“ bezeichnete Arbeiten wird später noch einmal eingegangen.
Dazu folgende Grunderfahrung aus der Innovationspraxis sowie der Aus- und Weiterbildung seit ca. 50 Jahren: Für die kreative Lösungsfindung reichen in der Regel ca. 6 bis 9 bewährte diskursive Methoden (siehe [4]) und einige Dialogmethoden. Zu den diskursiven Methoden zählen z.B.
- die kreativen Lösungssuchmethoden,
- die Feldforschungsmethoden,
- die Variationsmethoden,
- die Kombinationsmethoden (Morphologie),
· Für den kreativen Schluss bzw. „Kick“ sind ergänzend sehr förderlich z.B. folgende Lösungs-Prinzipien und Grundsätze: ·
- die innovativen Lösungsprinzipien von Altschuller und Zobel, Übersichten zu naturgesetzmäßigen Effekten, Wirkpaarungen und Wirkprinzipien mit ihren Wirkungsweisen, die inhaltlich aufbereitet und systematisch geordnet sind, z.B. in [5] ·
- die Variationsprinzipien für Anregungen zu neuen Lösungsideen für relevante Systemkomponenten und -eigenschaften, wie Teilsysteme, Elemente, Kopplungen, Verbindungen, Anordnungen, Wirkpaarungen, Einwirkungen/Auswirkungen, Anforderun-gen/Restriktionen, Umstände, Parameter und das Umfeld [4]
- z.B. durch die Anwendung der Variationsprinzipien: Austauschen, Zerlegen, Abtrennen, Umkehren, Hinzufügen, Vervielfältigen, Parallelisieren, Reduzieren, Weglassen, Wechseln, Zusammenfassen, Verknüpfen, Integrieren, Kombinieren, Umgehen, Verlagern, Kompensieren, Erhöhen, Vergrößern, Verkleinern, Minimieren, Maximieren, Abstrahieren u.a. ·
- die Stoff-Feld-Analysen ·
- die Grundsätze zur Problem- und Widerspruchs-Erkennung/ Präzisierung /4/ z.B.:
- Problem, Widerspruch, Anforderungen verstehen, verfremden, zuspitzen, verdichten, qualifizieren, variieren;
- Gesichtsfeld und Sichtweisen verändern, distanzieren,
- die 7W-Fragen anwenden auf Problem/Widerspruch,
- Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge klären und Modelle bilden,
- Variationsfeld für Sollkenngrößen aufspannen,
- Manipulieren mit der “idealen Lösung“
Diese Prinzipien und Grundsätze können zusammen mit der Suchfrage und mit dem Wissen der Bearbeiter Hebel, Triebkraft, Ausgangspunkt, Sprungbrett für das kreative Generieren von innovativen Ideen sein, wenn der Nutzer sie inhaltlich gut erfasst hat und ihre fallspezifische Nutzung geübt/trainiert hat.
Bei einer tiefgründigen Analyse der typischen diskursiven Lösungsfindungsmethoden, wie sie beispielhaft oben aufgeführt sind, wird erkennbar, dass diese Methoden nach verschiedenen Vorbereitungsschritten letztendlich zurückzuführen sind auf das letzte elementare Glied der Lösungsfindung für den kreativen Schluss, „Kick“ oder Sprung gemäß der Schritte 1+2. Die Schritte 1+2 sind für die Lösungsfindung in allen Hierarchiestufen des fortschreitenden Problemlösungsprozesses vom Abstrakten zum Konkreten und vom Ganzen zum Detail charakteristisch. Das gilt auch anlog für den Problemlösungsprozess, der von Konkreten über das Abstrakte zur Lösungsfindung verläuft.
Diese quasi „Modularität“ kann beispielhaft an den folgenden diskursiven Methoden sichtbar gemacht werden:
- Die kreativen Suchmethoden zur Lösungsfindung konzentrieren sich im Vorfeld der Lösungsfindung auf das Herausarbeiten des Kernproblems und Hauptwiderspruchs, der Suchrichtungen, der Suchfrage, den Vorstellungen zum potentiellen Such-Raum, um letztendlich im „freien Lauf“ durch den kreativen Schluss Lösungsideen durch Assoziation, Inspiration, Eingebung, Gedankenblitz, Analogien, Identifikation usw. zu generieren.
- Die Variationsmethoden ermitteln im Vorfeld der entscheidenden, letztendlichen Lösungsfindung geeignete variierbare Systemkomponenten und -eigenschaften, für die sie u.a. mit den Variationsprinzipien Suchfragen ableiten und mit den obigen Prinzipien das Finden von neuen, originellen kreativen Einzel-Ideen im letzten kreativen Lösungsschritt unterstützen und danach mit diesen Einzel-Ideen durch ihre Synthese zum Gesamtsystem völlig neue komplexe innovative Lösungen gewinnen können.
- Die Kombinationsmethoden decken im Vorfeld der Lösungsfindung die für die Lösungsfindung relevanten variablen Systemkomponenten (z.B. Teilfunktionen, Teilsysteme) in der Detailliertheit auf, die für die Ideenfindung geeignet ist und gestalten für diese elementaren, systemrelevanten variablen Komponenten die Suchfrage für innovationsträchtige Ideen bzw. Realisierungsmöglichkeiten. Sie leiten damit die elementare Ideenfindung ein. Davon ausgehend werden die Ideen für die variablen Systemkomponenten mit dem kreativen Kick generiert. Erst mit den innovations-trächtigen Ideen werden Gesamtlösungen durch ihre Kombination entwickelt mit dem Ziel und der Chance, neue, nie da gewesene Lösungen zu gewinnen.
Es wird deutlich, dass die kreativen Suchmethoden mit ihrer Orientierung auf den letztendlichen kreativen Schluss/Kick auch in den komplexeren diskursiven Lösungsfindungsmethoden in modifizierter Form der entscheidende kreative Bestandteil für die Lösungsfindung sind. Deshalb ist es naheliegend, für das Vermitteln der KT besonders diesen invarianten „Baustein“ nachhaltig zu vermitteln, jedoch eingebettet in die wirksamsten Lösungsfindungs-Methoden. Dieser Aspekt lässt auch erkennen, dass nur eine kleine überschaubare, praktikable Zahl von diskursiven Lösungsfindungsmethoden notwendig ist.
Deshalb die vielfach bestätigte Erfahrung: Je mehr Methoden es werden, oder je spezieller, komplexer und determinierter die KT-Systeme sind (wie es z.B. bei der immer mehr Einzelschritte umfassenden TRIZ zu beobachten ist), umso geringer ist die Chance für ihre Anwendung durch den Nutzer und damit das Fördern der Kreativität der Nutzer, weil die immer komplexeren Anleitungen letztlich bremsen statt den Ideenfluss anzuregen. Oder gehen die Vertreter der zunehmenden Detaillierung, Komplexität und Methodenmenge davon aus, dass originelle kreative Lösungen durch diese immer mehr Vorgaben entstehen?
Unverzichtbar sind neben den Lösungsfindungsmethoden die verschieden Analysemethoden (z.B. System-, Funktions-, Funktionswertfluss-, Struktur-, Defekt- und Problem-Analysen) und Bewertungsmethoden und nicht zuletzt die Methode zum Präzisieren von Aufgabenstellungen. Leider werden Analysemethoden und die mit ihnen verbundene systemwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise in vielen Methodenangeboten oft nicht genügend eingebunden und angemessen in den Vordergrund gerückt. Dabei sind sie nicht nur beim Start für die Problem- und Widerspruchsanalyse, die Aufgabenpräzisierung und das Herausarbeiten der Suchfrage, der Lösungsrichtung und des Such-Raums relevant, sondern sie sind auch das „Zielsuchgerät“ und das ”Instrument“ für die Lösungskritik und -bewertung. Trotzdem werden sie zu Gunsten verschiedener Lösungs-KT (z.B. Ideenfindungsmethoden) gern „verdrängt“, sicher aus dem menschlichen Bedürfnis, schnell eine Lösung zu erreichen. Aber welche? Das erst klären doch die Analysemethoden!
Statt viele (Einzel-)Methoden zu kennen, reicht die oben genannte Anzahl nach unseren eigenen Erfahrungen völlig aus. Aber diese Gruppierung muss dafür sicher beherrscht und souverän angewendet werden können, dass ist eine nötige Praxis.
Gerade zu den Analysemethoden gibt es zu viele Differenzen – ja es gibt Autoren, die Ideenförderung propagieren und dabei keine Analysemethoden benennen oder demonstrieren. Aber ohne Analysemethoden sollte gar keine Kreativitätstechnik propagiert werden dürfen. Sie sind nun einmal der notwendige Start für ein zielgerichtetes Arbeiten und die kritische Einschätzung und Weiterentwicklung der gewonnenen Lösungen. Eigentlich logisch und bekannt, aber ein zu beachtender notwendiger Hinweis!
Wir haben bei der Entwicklung der heuristischen Programmbibliothek der Systematischen Heuristik selbst erlebt, dass die Steigerung von anfangs ca. 35 heuristischen Programmen für die sechs verschiedenen Aufgabenklassen auf über 100 Programme keinen erkennbaren Effektivitätssprung erbrachte. Die meisten Anwender begnügten sich wieder mit dem ursprünglichen Methodenangebot. Auch eine wichtige Lehre aus unserer dann folgenden jahrzehntelangen Praxis.
Als Konsequenz: Die wirksamsten kreativitätsfördernden Methoden und Mittel der KT fundiert zu erkennen, praktikabel aufzubereiten und bis zur Verinnerlichung beim Nutzer zu trainieren, wäre eine lohnende kollektive Initiative für alle KT-Praktiker.
2. Nicht die Menge an Kreativitästechnikenist für hochkreative Ergebnisse entscheidend
Wenn mit den angewandten Methoden und den systemwissenschaftlichen Arbeitsmitteln
- die Aufgabenstellung präzisiert wird,
- der Problemkern und Hauptwiderspruch fachgerecht und systematisch erkannt und zugespitzt werden,
- die Suchfrage für die Lösung prägnant und inspirierend gefasst wird,
- die Analysetätigkeit im Problemlösungsprozess methodisch fundiert erfolgt
- und dafür insgesamt die methodisch-systemwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise gefördert wird,
dann ist für die Findung kreativer, innovationsträchtiger Lösungen vieles erreicht. Mehr kann eine bloße Wegleitung, was die jeweilige Methode letztlich ist, nicht sinnvoll bieten. Sonst müsste sie z.B. auch das gesammelte Fachwissen für das jeweilige Thema bereithalten. Dann ist es aber keine methodische Hilfe mehr, auf die sich KT-Methoden vorwiegend beschränken sollten. Sie können also an die kreative Lösung methodisch heranführen und ideenfördernde Prinzipien zur Anregung der Ideenfindung anbieten, sie jedoch nicht ”bereitstellen“.
Wir stellten oben fest, wenn das Prinzip von KT verstanden und verinnerlicht ist, reicht eine kleinere Anzahl von KT für den Nutzer völlig aus, ihn zu kreativen Lösungen anzuregen und ihm einen methodisch-systematischen Weg zu weisen. Daraus ergibt sich für die Aus- und Weiterbildung der Schluss, nicht Aufweitung, sondern wenige KT vermitteln. Aber das Vermitteln sollte mit dem Training an realen Themen in konkreten Problemlösungspro-zessen, deren inhaltliche Lösung auch dem Trainer noch unbekannt ist, verbunden sein. So kann der schöpferischen Umgang mit den Methoden erlebt, also beobachtet werden, wie das flexibel Wechsel und Springen konkret vollzogen und die Art des Umgangs mit „verinnerlichten“ Methoden der Trainer/Vermittler live erfolgt und so besser verstanden werden. D.h., weniger ist mehr, das aber beherrscht, ist besser als die Darstellung einer großen Menge möglicher Wegleitungen.
Je komplexer diese Wegleitungen werden, um so unhandlicher/belastender und letztlich die Kreativität einengender werden sie, ohne tatsächlich besser zu werden. Ihre Verinnerlichung wird unzulässig behindert. Dieser Schluss ist so wichtig, dass er eine lohnende Initiative der vielen unterschiedlichen Anbieter von Methodensystemen sowie der Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen auslösen sollte, die wirksamsten, Kreativität fördernden Methoden und Mittel der KT (so wenig wie möglich, so viel wie nötig) fundiert zu erkennen und für die große Breite praktikabel nutzbar aufzubereiten (einfach, transparent, gut handhabbar, gut lehr- und lernbar). Für dieses Angebot ist dann zur Verinnerlichung beim Nutzer ein geeignetes, breitenwirksames Trainingskonzept zu entwickeln und umzusetzen.
Daraus ergibt sich für die Aus- und Weiterbildung die Forderung, nicht Aufweitung, sondern wenige KT zu vermitteln, dafür an realen Themen und Problemlösungsprozessen zu trainieren und so den tatsächlichen kreativen Prozess zu erleben. Das sollte eindeutig Vorrang vor der quantitativen Erweiterung des Methodenangebots bekommen. Den Übenden sollte deutlich gemacht werden, dass die Quantität nicht entscheidend ist, sondern der Umgang mit den sicher beherrschten Methoden.
3. Wie ist es mit dem kreativen „Kick“ und wie beim Computereinsatz bei KT?
Es gibt nicht wenig Hinweise, dass der Computer bei kreativen Prozessen einen wichtigen Platz einnehmen wird. Zweifellos! Aber ob er den kreativen Kopf des Menschen partiell ersetzen oder den kreativen Einfall simulieren kann?
Dazu lohnt es sich, den jetzt bekannten Vorgang einer kreativen Lösung zu betrachten, wenn das eingängige Modell von Kahneman [2] zutreffend ist. Dieser Vorgang lässt sich z.B. wie folgt darstellen – wir nutzen dazu die Rezension zu [2] bei in [3].
Bisher kann und soll durch die verschiedensten Vorgehensweisen, Empfehlungen (gar Regeln) und Methoden in der Regel der Wirkungsgrad der geistig, schöpferischen Arbeit – denken, entwerfen, suchen, modellieren, berechnen, probieren, testen, usw. – der kreativ Tätigen, z.B. der Erfinder bzw. des/der mit dem Erzielen eines kreativen Ergebnisses Befassten erhöht bzw. soll erhöht werden. Dabei sind die verschiedenen Vorgehensweisen und Methoden der KT mehr oder weniger geeignet, originelle kreative Ergebnisse zu generieren, nahe zum ‚kreativen Leisten’, ohne dieses selbst in der anspruchsvollen Form (radikale Innovationen) zu schaffen. Auch für die erfolgreichsten KT ist es nicht gelungen – von den „Optimierungen“ als innovative Leistungen niedrigeren Niveaus abgesehen -, das eigentliche „kreative Leisten“ zu determinieren oder wenigstens nachvollziehbar dokumentieren zu können, obwohl seit über 2000 Jahren Anstrengungen in dieser Richtung verlaufen.
Offensichtlich sind u. a. die Originalität und Spezifik der Ergebnisse außergewöhnlicher Kreativität – um die geht es hier und zwar auf dem Gebiet von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft, weniger um künstlerische Kreativität oder gar um Alltagskreativität (vgl. dazu [3]) – auch die Gründe, dass diese zu einmaligen Ergebnissen hohen Niveaus führenden letztlichen Vorgänge konkret nicht beobachtbar und damit nicht nachvollziehbar beschreibbar sind. Das verhindert wohl die nachvollziehbare Erfassung dieses Schrittes grundsätzlich.
Der ”kreative Schluss“ ist offensichtlich selbst dem jeweiligen Erfinder oder Kreativitäts-Autor mit dem Wechselspiel zwischen der Suchfrage bis zum Generieren und Erkennen einer innovationsträchtigen Idee nicht genügend zugänglich, um ihn gut nachvollziehen, darstellen und so erfassen zu können.
Die Vorgänge zu dem Phänomen dieser entscheidenden Phase der kreativen Lösungsfindung werden im Folgenden mit einem bemerkenswerten Modell von Kahneman betrachtet.
Kahnemann [2] erklärt dazu ein ”Funktionieren des Wechselspiels von System 1 und 2“. Dazu sei etwas ausgeholt aus der Rezension zu Kahneman [2] bei [3] bei der Erklärung des menschlichen Denkens.
„System 1 (das schnelle Denken) hat die angeborene Fähigkeit … unsere Umwelt wahrzunehmen, auf Gefahren schnell zu reagieren, Verluste zu vermeiden, … unsere Aufmerksamkeit durch Aktivierung von System 2 (das langsame Denken) zu wecken – und auch durch langes Üben automatisierte Routinen auszubilden. Es kann Assoziationen zwischen Vorstellungen bilden, kann lesen und Nuancen sozialer Situationen verstehen. Das Wissen ist im Gedächtnis gespeichert und wird ohne Intension und ohne Anstrengung abgerufen.
Das System 1 arbeitet „automatisch“, ohne uns bewusst zu sein. Das unwillkür-liche System 1 … erzeugt erstaunlich komplexe Muster von Vorstellungen, aber nur das langsamere System 2 kann in einer geordneten Folge von Schritten Gedanken konstruieren. …
System 1 arbeitet automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Anstrengung. … System 2 lenkt die Aufmerksamkeit auf die anstrengenden mentalen Aktivitäten, … darunter auch komplexe Berechnungen, Modelle, gedankliche Experimente …
Wenn wir an uns selbst denken, identifizieren wir uns mit System 2, dem bewussten, logisch denkenden Selbst, das Überzeugungen hat, Entscheidungen trifft und sein Denken und Handeln bewusst kontrolliert. [2, S. 33]
System 2 kann die Kontrolle übernehmen, indem es ungezügelte Impulse und Assoziationen von System 1 verwirft oder hervorhebt [als bedeutsam erkennt!]. System 2 erfordert Aufmerksamkeit für seine Aktivität. Ist die gestört oder ist es überlastet, entstehen Fehler. [Es gibt ein Aufmerksamkeitsbudget!]”. Eine enge, zu „intensive Konzentration auf eine Aufgabe kann Menschen blind für Stimuli machen, die normalerweise die Aufmerksamkeit erregen.“ (ebenda, S. 36).
„System 1 und 2 sind immer aktiv; System 2 normalerweise im Modus geringer Anstrengung mit nur einer Teilkapazität. System 1 liefert Vorschläge für System 2, Muster, Eindrücke, Intensionen, Absichten und Gefühle. Unterstützt System 2 diese Eindrücke und Intensionen, werden sie zu Überzeugungen und willentlich gesteuerten Handlungen. System 2 kann logisch denken und so Vorschläge von System 1 überprüfen, was es aber nicht immer tut (”ist faul“, ebenda, S. 61), sondern der intuitiven Aussage von System 1 ”vertraut“.
Normal akzeptiert System 2 alle Vorschläge von System 1. Gerät System 1 in Schwierigkeiten, fordert es von System 2 eine genauere Verarbeitung an, die das Problem möglicherweise lösen könnte. System 2 wird auch mobilisiert, wenn es gegen das Weltmodell von System 1 verstößt (ebenda, S. 38), wenn es z.B. ”hüpfende Lampen“ sieht.
Überraschung aktiviert Aufmerksamkeit und damit System 2. Dieses ist auch für die ständige Überwachung des Verhaltens zuständig, also, dass man höflich bleibt, auch wenn man Wut hat. … der größte Teil dessen, was Sie (Ihr System 2) denken und tun, geht aus System 1 hervor, aber System 2 übernimmt, sobald es schwierig wird, und es hat normalerweise das letzte Wort.
Die Arbeitsteilung zwischen System 1 und System 2 ist höchst effizient: Sie minimiert den Aufwand und optimiert die Leistung. Diese Reglung funktioniert meistens gut, weil System 1 im Allgemeinen höchst zuverlässig arbeitet: seine Modelle vertrauter Situationen sind richtig, seine kurzfristigen Vorhersagen sind in der Regel ebenfalls zutreffend, und seine anfänglichen Reaktionen auf Herausforderungen sind prompt und im Allgemeinen angemessen. Die Leistungsfähigkeit von System 1 wird jedoch durch kognitive Verzerrungen beeinträchtigt, systematische Fehler, für die es unter spezifischen Umständen in hohem Maße anfällig ist. (ebenda, S. 38) So unterliegt es Täuschungen, Illusionen, dem Einfluß von Priming, der Wiederholung u. a.
System 1 verfügt über die nicht willentlich herbeigeführte Assoziationsmaschine, die die zu einem Kontext bei uns im Gedächtnis vorhandenen Vorstellungen aufruft, von denen uns dabei nur ein Bruchteil bewusst wird, aber zu dem Kontext potentielle Antworten bereitstellen kann.
Damit kann geschlussfolgert werden, die für einen Kontext von der Assoziationsmaschine des System 1 zur Auswahl für System 2 bereitgestellten ”Muster“ sind unwillkürlich entstanden. Denn nur System 2 ist uns willentlich zugänglich. System 1 arbeitet automatisch, kann nicht abgeschaltet werden und ist unwahrscheinlich schnell. Z.B.: Sie öffnen die Augen und das 2-D-Bild Ihres Augenhintergrundes wird vom System 1 sofort in ein 3-D-Bild des betrachteten Raumes umgewandelt, wo jedes Objekt seinen Platz mit allen Raumbeziehungen hat (vor-, über-, neben-, nacheinander, …), jedes zugleich als bekanntes oder unbekanntes Objekt konkret identifiziert und noch eine Einschätzung der Raumsituation (normal, verschmutzt) mit Handlungsempfehlung (”alles ok“) gegeben wird. Das ist „das, was wir normalerweise nennen als bewusstes Sehen, das sich vor Augen halten, die Vorstellung und als intuitives Denken verstehen bzw. empfinden“ (nach ebenda, S. 31).
Und von dieser Assoziationsmaschine werden offensichtlich auch die „Anregungen“ geliefert, die – wenn sie vom System 2 aufgegriffen werden – zu den gesuchten Ideen (kreativer Kick) werden können.
Dabei lässt maximal die Vorgeschichte des „Füllens“ der Assoziationsmaschine einen gewissen ‚Einfluss‘ durch den Autor, usw. vermuten ; je umfangreicher und zutreffender diese Vorgeschichte (angehäuftes Erkenntnisse ….) sei, umso mehr und zielnäher könnten geeignete „Anregungen“ geliefert werden. Diese Vermutung scheint der nennenswerte ‚Einfluss‘ zu sein, der bewusst und längerfristig geliefert werden kann, um die unwillkürliche Assoziationsmaschine im Sinne der angestrebten Lösung zu ‚lenken’. Vielleicht kommt daher die Aussage ‚er ging mit der Idee lange schwanger’.
Es kann aber auch eine weitere Einschätzung aus der nachfolgenden Situation geschlussfolgert werden: Während das System 1 rasend schnell viele Muster entwirft, auch unsinnige bis evtl. kreative, muss das System 2 erfolgsträchtige Muster erkennen, sich diese vorstellen können und die Beurteilung dazu übernehmen und mit seinen Mitteln auswählen und nachvollziehbar fixieren, was als kreatives, innovationsträchtige Lösung durchgehen könnte – vorausschauend in seiner künftigen Bedeutung erkennend. Hierbei könnte ein Bezug zu Kreativitätstechniken schon Bedeutung haben, denn sowohl System 1 (Anregung für Musterentwurf – s. u.) als auch System 2 (Mittel zum Erkennen („aha“) und zur Auswahl geeigneter Muster, z.B. durch Präzisierung der Anforderungen an eine Aufgabenstellung, u. a.) könnten so unterstützt werden. Während System 2 letzteres durch klare problemgerechte Kriterien, Erfahrungen und Wissen die geeignete Lösung erkennen und die Auswahl evtl. erleichtern kann, könnte durch das schon benannte Manövrieren – also Springen zu alternativen oder ergänzenden Anregungen, zum ‚Idealen Endresultat’ oder zum ‚Unerwünschten Effekt’, zu den ‚Altshullerschen kleinen Männeln’, zur Widerspruchsformulierung und vielen anderen Anregungen – die Assoziationsmaschine manipuliert oder einfach weiter angetrieben werden. Das wäre der Sinn des ‚Manövrierens’ bei der Programmabarbeitung.
Für die Anwendung der Kreativitätstechniken spricht auch die Aussage S. 50 [2] ausgehend von dem allgemeingültigen Gesetz des geringsten Aufwandes für kognitive wie auch für physische Anstrengungen:“ Je mehr Geschick man bei der Lösung einer Aufgabe entwickelt, umso weniger Energie muss man für sie aufwenden … dass sich das mit einer Handlung verbundene Aufmerksamkeitsmuster mit der Fertigkeit verändert. … Begabung hat ähnliche Wirkungen. Hochintelligente Menschen lösen die gleichen Probleme müheloser …“ (ebenda, S. 50). Das spricht für die konsequente Nutzung von Kreativitätstechniken, die ein ”optimiertes Geschick“ für die Lösung der jeweiligen Aufgabe anbieten!
Das potentielle und reale Zusammenwirken von System 1 und 2 ist offensichtlich für den Menschen sehr vorteilhaft, aber für die Aufklärung des kreativen Schlusses (des kreativen Kicks), das Erfassen des kreativen Kerns ein bedeutendes Hindernis, an dem sich auch die Digitalisierung die Zähne/Bits ausbeißen wird, wenn – wie oben erläutert – gilt: ”System 1 liefert Vorschläge für System 2, Eindrücke, Intensionen, Absichten und Gefühle. Unterstützt System 2 diese Eindrücke und Intensionen, werden sie zu Überzeugungen.“
Danach wäre die Quelle einer kreativen Idee grundsätzlich im schnellen System 1 angesiedelt, das uns willentlich nicht zugänglich ist, und sie braucht zum Erkennen das Zusammenspiel mit System 2. Daraus ließe sich der Schluss ziehen, wir wissen nicht wie das System 1 (die Assoziationsmaschine) konkret arbeitet – also Vorschläge generiert, denn die Arbeit des System 1 ist nicht beobachtbar, also ist für den Computer ein anderes Vorgehen nötig als eine Simulation (die wir gar nicht im Original erfassen können) des in unserem Kopf ablaufenden kreativen Prozesses. Es kann weiter gelten: ein tatsächlich integriertes Zusammenwirken von Mensch und Computer beim kreativen Kick erscheint unwahrscheinlich, weil das ‚unwillentliche’ Wirken von System 1 keinen Anschluss zum Computer bietet. Würde der Computer die Arbeit einer Assoziationsmaschine übernehmen, könnte – wenn aufgeklärt ist, wie das Erkennen und Bewerten einer ‚Anregung’ als Basis der kreativen Idee funktioniert – er auch die Auswahl/Bewertung der Anregungen simulieren. Das erscheint insofern als möglich, weil das vom willentlich zugänglichen System 2 zu leisten wäre. Da könnte das Bewerten kein so großes Hindernis sein, wohl aber das Erkennen, das wohl nicht nur logischen Schritten unterliegt. Es sei an die Lullus-Maschine erinnert, selbst wenn diese Assoziationsmaschine die Folge E= m x C² schreibt, wird wohl zum Erkennen ihrer tatsächlichen Bedeutung auf dieser Ebene wieder eine Assoziationsmaschine benötigt, sonst gibt es keine treffende Bewertung für die bloße Symbolfolge. Damit sind wir wieder auf dem Stand vom Anfang, dass das „Erkennen“ offensichtlich auch einen Implus von System 1 braucht, dies-mal bezüglich der Bedeutung des vorgelegten Musters.
Wenn wir keine Chance sehen, diesen (unbewussten) Vorgang im System 1 zu beschreiben, zu erfassen und den Vorgang im System 2 bisher im entscheidenden Detail (”Das Verstehen, Erkennen der kreativen Anregung aus der Fülle der angebotenen“) nicht konkret bestimmen können, sind die Hoffnungen, sie technisch nachvollziehen zu können, sehr gering. Dann bliebe z.B. doch, für „Kreativität aus dem Computer“ zu versuchen einen grundsätzlich anderen Weg zu gehen als ihn der Mensch geht. Wäre das nachdenkenswert (wie es Lullus mit seiner Vorrichtung schon versuchte) oder nicht?
Trotz dieser Unbestimmtheiten spricht das keineswegs gegen die methodisch-systemwis-senschaftliche Denk- und Arbeitsweiseatische, aber gegen ein alleiniges Vorgehen nach dem Prinzip Versuch und Irrtum und ein spontanes, generell intuitives Vorgehen, weil das probierende Arbeiten einfach uneffektiv ist und im kreativen Prozess schon der benannte Anteil „nicht willentlich erreichbarer“ Bestandteile enthalten ist.
Der Ansatz der Idee entsteht ohne willentlich beeinflusst werden zu können im System 1, nachdem auf dem entscheidenden methodisch-systematischen Weg das Feld für die Ideenproduktion (‚Vorschläge’) von System 1 aufgespannt und das System 2 empfänglich „gemacht“ wurde. Entscheidend ist, dass dieser Ansatz der Idee (‚Vorschlag’) durch das System 2 als tragfähig erkannt wird, um ihn dann mittels der logischen Operationen (z.B. systematisches Prüfen der Vorgaben, …) bewusst zur Idee zu entwickeln.
Aus diesen Überlegungen resultiert die Empfehlung, nicht zu viel Kapazität für den Versuch zu verwenden, den Vorgang des Menschen beim kreativen Kick für den Computer zugänglich zu machen, dafür mehr Kapazität – oder überhaupt welche – um das ”Manövrieren“, das flexible, schöpferische Arbeiten mit Methoden und ihrer ”Verinnerlichung“ besser aufzuklären.
Diese Empfehlung aus den Überlegungen zum ‚Kahnemanschen Modell’ liegt darin begründet, dass das Wechselspiel von System 1 und 2 von Kreativitätstechniken unterstützt werden können, aber nicht ersetzt oder irgendwie vorgegeben werden können, da die tatsächlich entscheidenden Vorgänge als unbewusste Vorgänge für eine kreative Lösung nicht beobachtbar und beschreibbar sind. Also sollten auch keine Anstrengungen unternommen werden, durch zu viel vorgegebene, aber letztlich mit Pseudo-Wirkung versehene Vorschriften, Regelungen und Komplexität – statt Unterstützung und Anregung – Reglementierung für diesen Teil zu produzieren.
Hier bietet es sich an zu „Intuition“ noch eine Kommentierung zu gegeben: Lt. Duden ist Intuition eine „Eingebung, ein ahnendes Erfassen, ein unmittelbare Erkenntnis“. Umgangssprachlich wird sie mit „Eingebung“ identifiziert, teils sogar von Außen oder einem höheren Wesen. Sicher gibt es auch äußere Faktoren der Anregung, aber nach vorstehenden ist die kopfeigene „Assoziationsmaschine“ die Quelle für den Ideenansatz. Es braucht keine Verklärung dieses Vorgangs und schon gar nicht der Betonung eines intuitiven Vorgehen bei der Programmanwendung. Das wendet sich nur gegen die – weil auch unbequem – aber konsequente methodisch-systemwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise und eine rationelle Systematik. Es braucht keine Betonung, dass beim „kreativen Kick „nicht willentlich erreichbare“ Bestandteile eine reale Bedeutung für das kreative Ergebnis haben, die in der Natur des Menschen liegen und ihm das Primat für die kreative Leistung sichern. Auch wenn es nicht einfach zu erfassen und verstehen ist, so ist es doch gut so.
4. „Verinnerlichen“ von KT / das Handling & Manövrieren bei ihrer Nutzung
Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich für die Vermittlung und Anwendung von KT schlussfolgern: Die entscheidende Anregung für den ‚kreativen Kick’ kommt offensichtlich aus dem unbewussten System 1, die das System 2 verstehen muss. Da KT durch Klärung der Problemlage den Bezugsraum deutlich „zuspitzen“ können, helfen sie samt methodisch-systemwissenschaftlicher Denk- und Arbeitsweise dem System 1 beim Produzieren von Vorschlägen, was aber willentlich nicht erreicht werden kann. Da kann eine zufällige ”blaue Tafel“ genauso anregend sein! Daher sollte eine Programmvorschrift nur den Bezugsraum klarer fassen und nicht versuchen, z.B. intuitiven Vorschläge selbst vorzugeben. Schon die mögliche Vielfalt würde einen Text ungeheuer erweitern, was im konkreten Fall trotzdem völlig abwegig sein kann und mehr hindert als nützt.
Für das Produzieren von Vorschlägen und deren Verstehen kann aber das vorn benannte Handling und Manövrieren bei der Anwendung von KT wahrscheinlich recht anregende Bedeutung haben, z.B., um den Bezugsraum zu wechseln, neu zu begrenzen und anderes mehr. Analog ist das „Verinnerlichen“ des Methodeninhaltes zu verstehen. Um dieses Manövrieren wenigstens partiell zu begreifen, sollte z.B. im Training von KT an realen, allen – auch den Trainern – noch unbekannten Aufgabenstellungen (Lösungen) geübt werden, also nicht nur an „fertigen“ Beispielen. Bei realen Aufgabenstellungen können solche Situationen entstehen, die das Manövrieren realisieren, und folglich lernend beobachtet werden können.
Üben an Aufgabenstellungen, deren Lösung noch unbekannt ist, dauert sicher länger als an einem fertigen ”Retorten“-Beispiel, gibt aber erst die konkrete reale Anwendung von KT wieder und kann das „tiefere Verstehen“ von KT ermöglichen, wenn es der Trainer bringt. Selbstverständlich können auch „Retorten“-Beispiele zur Demonstration und zum grundsätzlichen Verstehen der Methode und Arbeitsweise nach wie vor notwendig und nützlich sein.
Dieses Verinnerlichen bzw. das Manövrieren ist quasi die hohe Schule der Anwendung von KT und hat einen wirksamen Bezug zum und beim Finden der kreativen Idee – so wenigstens unsere langjährigen Beobachtungen. Durch die im Training und der späteren selbstständigen Anwendung erworbene Verinnerlichung bringt Effizienz, macht frei und schafft mehr Spielraum zum kreativen Denken in der Phase der kreativen Lösungsfindung. Es sollte daher eine Förderung dieser Fähigkeiten angestrebt werden.
Dem kommt entgegen, dass diese beiden Begriffe eigentlich nur Ausdruck für zwei Seiten derselben Medaille sind: Das Verinnerlichen benennt den angestrebten Zustand, sie führt zur freien, flexiblen Anwendung der methodisch-systematischen Denk-und Arbeitsweise und zeigt einen Weg zum Erarbeiten dieser Fähigkeit. Das Manövrieren benötigt als eine sehr schöpferische, flexible Arbeitsweise einen Mindestgrad an Verinnerlichung. Natürlich hat jeder Begabte auch einen eigenen Vorrat an verinnerlichten Manövrierverfahren, aber die ungenutzten Potentiale für kreative Lösungen zeigen, dass die Fähigkeiten zum Manövrieren und die Verinnerlichung durchaus gesteigert werden sollten.
Es bietet sich an für bewährte Manövrierverfahren, eine Reihe geeigneter Stichworte /Beispiele zusammenzustellen, die einen gewissen Grundstock für’s praktische Vorgehen bilden könnten.
5. Zusammenfassung
Für KT und ihre Anwendung gibt es noch viele ungenutzte Erweiterungen, die nicht in der Menge an KT oder gar in der Erhöhung deren Komplexität liegen, sondern in der Vertiefung ihrer Nutzung – einerseits zu einer intensiven Anwendung durch ‚Verinnerlichung’, um souverän, quasi „freihändig“ die Nutzung betreiben zu können. Andererseits auch bei den Programmfolgen und in der Phase des kreativen Schlusses bewusst Manövrieren zu können, und so anregend für die ‚nicht willentlich erreichbare‘ Produktion des System 1 von Vorschlägen für den ‚kreativen Kick’ werden zu können.
Dazu sollten alle aktiven Kreativitätstechniker sich über eine kleine, aber hochwirksame Mindestmenge an KT verständigen und in der Aus- und Weiterbildung besonders mit Beispielen arbeiten, deren Lösungen auch den Trainern noch unbekannt ist. Das kann das Verständnis für das so wertvolle Verinnerlichen und Manövrieren erhöhen. Der ‚kreative Kick’ nach Art des Menschen wird wohl auf lange Zeit noch dem Computer vorenthalten bleiben.
6. Literatur
Die ausführlichen Quellen sind in [3] auf der Seite „Literatur“ zu finden.
[ 1 ] Stanke, k.; Koch,P.: „50 Jahre systematsiche heuristik“ Rohrbacher Manuskripte Nr. 23
[2 ] Kahneman[ 3 ] www.problemlösendekreativität.de od. www.problemloesendekreativitaet.de
[4] Koch. P. : Allgemeine Grundlagen des kreativen, innovativen Problembearbeitungsprozesses in [3]/PBP-Problembeaarbeitung.
[5] Rüdrich, G.: Nutzung von naturgesetzmäßigen Effekten und Wirkprinzipien zur kreativen Bearbeitung wissenschaftlich-technischer Kreativität. Bauakademie der DDR. Berlin: 1988
Dieser Beitrag von Rüdrich ist eine sehr wirkungsvolle, fachlich fundiert Quelle/Generator für die Ideenfindung im Schritt 1, der parallel zu den Altschullerprinzipien angewandt werden kann und dabei auch effektiver sein kann.