Möglichkeiten und Grenzen von KT (Kreativitätstechniken)

von Prof. Dr- rer. oec. habil Klaus Stanke 31. 12. 2023

Zweifellos erhöhen Kreativitätstechniken die Effektivität menschlicher Denkarbeit. Deshalb sollten sie in allen diesbezüglichen Fachgebieten grundsätzlich genutzt werden. Aber auch im Alltag, denn auch bei der Alltagkreativität können Kreativitätstechniken (KT) nützlich sein. Aber letzteres ist nicht das typische Anwendungsgebiet von KT; es ist Forschung und Entwicklung und ähnliche Tätigkeiten, die in der Regel zur Bewältigung Kreativität, genauer „problemlösende Kreativität“* und nicht selten sogar „außergewöhnliche Kreativität“ * benötigen. Für diese Kreativitätsnutzungen sollen nachfolgende Aussagen gelten.

Durch Anwendung von KT, von denen es sehr viele Arten mit sehr differenzierten Ausbau- und Effektivitätsstufen (meist Programme oder Programmsysteme, aber auch andere Anregungsempfehlungen) gibt, können die hinreichend ausgereiften die Leistungsfähigkeit der Anwender (Einzelperson oder Gruppe) in der Regel um 20 … 50 % erhöhen, mit Moderator meist um 40 …  60 %. Das gilt beim Vergleich von fach- bzw. ausbildungsgerechter Bearbeitungsqualität mit und ohne diese KT. Der Unterschied kann an der Zeitverkürzung der Bearbeitung entscheiden-der Etappen, an der Ergiebigkeit der Ideenhäufigkeit und Ideenverwertbarkeit sowie am komplexen Bearbeitungsfortschritt eingeschätzt werden. Natürlich unter der Bedingung, dass jeder kreative Bearbeitungsprozess ein Unikat ist und damit nicht exakt vergleichbar, aber doch auch einschätzbar ist. Aus der langen Praxis der aktiven Anwendung von KT vieler Anwender – über 50 Jahre – kann das aus dem Erlebten geschlussfolgert werden, aber auch aus der prinzipiellen Wirksamkeit von KT. Eine solche Steigerung der Leistungsfähigkeit bei optimaler Anwendung bestätigen in der Regel die Teilnehmer an moderierten Prozessen, aber auch Einzelanwender.

KT können dem Einzelnen und erst recht einer Gruppe helfen, Grenzen bei der Ideenproduktion (durch zu geringe mentale Vorräte, Erfahrungen, Anregungen usw.) zu erweitern, neue Aspekt dafür einzubringen (vgl. z.B.  Mindmapping), Irrwege zu reduzieren u.a.m. und wenn sie über einen gute Analysestrecke verfügen, auch die Auswahl und Bewertung der Ideenvorschläge qualifizieren, verbessern, beschleunigen sowie die Wechselwirkung zwischen beiden optimieren und auf neue Basen (zielgerichteter) stellen. Das hilft den im Kopf ablaufenden Prozessen eine bessere Qualität bzw. Beschleunigung und/oder Gründlichkeit, Vollständigkeit u.a.m. zuzuordnen, was letztlich leistungssteigernd wirkt.  

Hier kommt es nicht auf die genauen Prozente an, aber auf das Erreichbare und das nicht Erreichbare. Mehr als eine Leistungssteigerung als auf das ca. 1 ½-fache ist nicht vorstellbar und wurde auch in 50 Jahren Anwendung in der Praxis nicht vorgefunden (auch nicht aus der Geschichte bekannt). Es soll nur klar werden, KT haben durchaus eine leistungssteigernde Wirkung, aber sie sind kein Garant für einen Durchbruch zu z. B. außergewöhnlichen kreativen Leistungen, wenn solches auch nicht ausgeschlossen werden kann. KT können nicht systematisch zu so einem Durchbuch führen, aber im günstigsten Fall eventuell ihn vorbereiten, wahrscheinlicher machen. Es ist generell nicht mehr als eine quantitative Leistungssteigerung mit KT erwartbar. Selbstverständlich kann ein Zufallstreffer besonderer Qualität nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, aber das ist auch dann keineswegs typisch für KT. Für das Erzielen solcher außergewöhn-lichen Ergebnisse sind KT nicht ausgelegt und das können sie von ihrem Potential auch nicht erbringen. Sie bringen aber eine klare Leistungssteigerung und das ist doch schon wertvoll genug, um sie stärker zu nutzen.

Das muss im Fall der „Widerspruchslösungen“ (also eine Sache soll ‚heiss und zu gleich kalt‘ sein, aber nicht lauwarm) genauer betrachtet werden. KT mit Widerspruchslösungen sind die anspruchsvollste Form der Unterstützung gedanklicher Arbeitsprozesse und können zu außergewöhnlicher Kreativität bei ihrer Lösung führen, auf technischem Gebiet zu Erfindungen und Patenten. Hinweise zu KT-Lösungswegen bei Widersprüchen siehe u.a. Stanke: Handlungsorientierte Kreativitätstechniken Trafo Verlag Berlin 2011 S. 165. Damit sind sie beim „kreativen Leisten“ nahe dran, aber bleiben auch in diesen Fällen auf dem Niveau des helfenden Unterstützens, das weit zuspitzt, aber auch nur Anregung vermittelt und keineswegs sicher das Ergebnis bringen kann. Die kreative Lösung ist damit keineswegs gegeben, der Widerspruch muss vom Kopf noch gelöst werden. Widersprüche sind nur ein starkes Signal, dass eine Sache fündig werden kann, wie ein Verweis auf eine Erzader.

Das bedeutet: KT sind wichtig, aber das entscheidende Momentum ist bisher nicht dabei, den ‚Kreativen Kick‘ und außergewöhnliche Ergebnisse zu generieren. Das erscheint generell nicht möglich zu sein. Der entscheidende Trost: KT sind das Beste für gedankliche Prozesse, was wir haben, nutzen wir sie. Das ist doch schon viel bzw. kann doch schon viel und ausreichend sein!

Das festzustellen hat einige Konsequenzen. Unter anderem lohnt es nicht, weiter über eine Vereinheitlichung der Vorgehensweise bei KT viel Arbeit zu leisten, sie haben alle ihre Anwendungsmöglichkeit und verändern sich auch nicht zu einer neuen Qualität wenn sie optimal aufbereitet sind – mit Ausnahme derer, die auf eine Präzisierung der Aufgabenstellung verzichten, diese nutzen ca.  die Hälfte des Potentials von KT nicht. Weiter kann geschlussfolgert werden, eine ständige quantitative Erweiterung („n“-Vorschriften, Regeln, …) der KT bringt keinen Effekt der über „n+1“ hinausgeht und meistens ist n schon zu groß für eine rationelle praktische Nutzung. Weiter gilt offensichtlich damit – genau wie zu der Vielfalt an genutzten KT – auch: je komplexer (umfangreicher) eine KT ist, umso mehr schwächt sich der Leistungszuwachs mit dem Grad ihrer Nutzung der Komplexität ab.

Die vorhandene Vielzahl und auch Qualität an KT reichen für oben genannten möglichen Effektivitätszuwachs scheinbar aus. Es scheinen also keinen neuen, erweiterten oder andersgearteten KT nötig zu sein.

Aber die Suche nach KT für den „kreativen Kick“, dem „Stein der Weisen“ ist etwas anders, diese wird wohl Hobby bleiben. Zwar gab es dafür in den letzten 2000 Jahren keine erkennbare Chance und selbst beim heutigen Wissensstand mit KI nicht, weil dafür eine grundsätzliche Klärung durch die Forschung fehlt. Auch das kann im weiterem erläutert werden, wozu ebenso wie zu den Aussagen zu den ‚Grenzen und Möglichkeiten‘ das Modell des “Denkvorgangs nach Kahneman“ dienen soll.

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Zu diesen Aussagen lohnt es sich, den bisher bekannten Vorgang einer kreativen Lösung zu betrachten, wenn das eingängige „Modell von Kahneman“* zutreffend ist. Zu diesem Vorgang lässt sich davor noch darstellen:

Bisher kann und soll durch die verschiedensten KT (Vorgehensweisen, Programme,  Empfehlungen (gar Regeln) und Methoden) der Wirkungsgrad der geistig, schöpferischen Arbeit – denken, entwerfen, suchen, modellieren, berechnen, probieren, testen, usw. – der kreativ Tätigen, z.B. der Erfinder bzw. des/der mit dem Erzielen eines kreativen Ergebnisses Befassten, in der Regel erhöht werden. Dabei sind die verschiedenen Vorgehensweisen und Methoden der KT mehr oder weniger geeignet, originelle kreative Ergebnisse nahe zum ‚kreativen Leisten‘ zu generieren, ohne diese in der anspruchsvollen (radikale Innovationen) Form dabei selbst zu erreichen, aber doch so vorzubereiten, dass der Erfolg wahrscheinlicher wird, und oft ein folgender „kreative Kick“ dann den erwünschten Erfolg schafft. Auch für die erfolgreichsten KT ist es nicht gelungen – von den Optimierungen als innovative Leistungen niedrigeren Niveaus abgesehen -, das eigentliche „kreative Leisten“ zu determinieren oder wenigstens nachvollziehbar dokumentieren zu können, obwohl seit über 2000 Jahren Anstrengungen in dieser Richtung verlaufen.

Offensichtlich sind u. a. die Originalität und Spezifik der Ergebnisse außergewöhnlicher Kreativität und der Denkprozesse des Menschens – um die geht es hier in der anspruchsvollsten Form und zwar auf dem Gebiet von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft, weniger um künstlerische Kreativität oder gar um Alltagskreativität (vgl. *) – auch die Gründe, dass diese zu einmaligen Ergebnissen hohen Niveaus führenden letztlichen Vorgänge konkret nicht beobachtbar und damit nicht nachvollziehbar beschreibbar sind. Das verhindert die nachvollziehbare Erfassung dieses Schrittes grundsätzlich und die Darstellung in KT.

Der ”kreative Schluss“ ist offensichtlich selbst dem jeweiligen Erfinder- oder Kreativitäts-Autor mit dem Wechselspiel zwischen der Suchfrage bis zum Generieren und Erkennen einer innovationsträchtigen Idee nicht genügend zugänglich, um ihn gut nachvollziehen, darstellen und so erfassen zu können.

Die Vorgänge zu dem Phänomen dieser entscheidenden Phase der kreativen Lösungsfindung werden im Folgenden mit einem bemerkenswerten Modell von Kahneman betrachtet. Kahneman erklärt da ein ”Funktionieren des Wechselspiels von System 1 und 2“ beim menschlichen Denken. Dazu sei etwas ausgeholt aus der Rezension zu Kahneman *.

System 1 (das schnelle Denken) hat die angeborene Fähigkeit … unsere Umwelt wahrzunehmen, auf Gefahren schnell zu reagieren, Verluste zu vermeiden, … unsere Aufmerksamkeit durch Aktivierung von System 2 (das langsame Denken) zu wecken – und auch durch langes Üben automatisierte Routinen auszubilden. Es kann Assoziationen zwischen Vorstellungen bilden, kann lesen und Nuancen sozialer Situationen verstehen. Das Wissen ist im Gedächtnis gespeichert und wird ohne Intension und ohne Anstrengung abgerufen.

Das System 1 arbeitet „automatisch“, ohne uns bewusst zu sein. Das unwillkürliche System 1 … erzeugt erstaunlich komplexe Muster von Vorstellungen, aber nur das langsamere System 2 kann in einer geordneten Folge von Schritten Gedanken konstruieren. … 

System 1 arbeitet automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Anstrengung. … System 2 lenkt die Aufmerksamkeit auf die anstrengenden mentalen Aktivitäten, … darunter auch komplexe Berechnungen, Modelle, gedankliche Experimente …

Wenn wir an uns selbst denken, identifizieren wir uns mit System 2, dem bewussten, logisch denkenden Selbst, das Überzeugungen hat, Entscheidungen trifft und sein Denken und Handeln bewusst kontrolliert. [Kahneman, D.: Schnelles Denken, langsames Denken. Siedlerverlag München 2012, S. 33]

System 2 kann die Kontrolle übernehmen, indem es ungezügelte Impulse und Assoziationen von System 1 verwirft oder hervorhebt [als bedeutsam erkennt!]. System 2 erfordert Aufmerksamkeit für seine Aktivität. Ist die gestört oder ist es überlastet, entstehen Fehler. [Es gibt ein Aufmerksamkeitsbudget!]”. Eine enge, zu „intensive Konzentration auf eine Aufgabe kann Menschen blind für Stimuli machen, die normalerweise die Aufmerksamkeit erregen.“ [ebenda, S. 36].

„System 1 und 2 sind immer aktiv; System 2 normalerweise im Modus geringer Anstrengung mit nur einer Teilkapazität. System 1 liefert Vorschläge für System 2, Muster, Eindrücke, Intensionen, Absichten und Gefühle. Unterstützt System 2 diese Eindrücke und Intensionen, werden sie zu Überzeugungen und willentlich gesteuerten Handlungen. System 2 kann logisch denken und so Vorschläge von System 1 überprüfen, was es aber nicht immer tut [”ist faul“, ebenda, S. 61], sondern der intuitiven Aussage von System 1 ”vertraut“.

Normal akzeptiert System 2 alle Vorschläge von System 1. Gerät System 1 in Schwierigkeiten, fordert es von System 2 eine genauere Verarbeitung an, die das Problem möglicherweise lösen könnte. System 2 wird auch mobilisiert, wenn es gegen das ‚Weltmodell‘ von System 1 verstößt [ebenda, S. 38], wenn es z.B. ”hüpfende Lampen“ sieht.

Überraschung aktiviert Aufmerksamkeit und damit System 2. Dieses ist auch für die ständige Überwachung des Verhaltens zuständig, also, dass man höflich bleibt, auch wenn man Wut hat. … der größte Teil dessen, was Sie (Ihr System 2) denken und tun, geht aus System 1 hervor, aber System 2 übernimmt, sobald es schwierig wird, und es hat normalerweise das letzte Wort.

„Die Arbeitsteilung zwischen System 1 und System 2 ist höchst effizient: Sie minimiert den Aufwand und optimiert die Leistung. Diese Reglung funktioniert meistens gut, weil System 1 im Allgemeinen höchst zuverlässig arbeitet: seine Modelle vertrauter Situationen sind richtig, seine kurzfristigen Vorhersagen sind in der Regel ebenfalls zutreffend, und seine anfänglichen Reaktionen auf Herausforderungen sind prompt und im Allgemeinen angemessen. Die Leistungsfähigkeit von System 1 wird jedoch durch kognitive Verzerrungen beeinträchtigt, systematische Fehler, für die es unter spezifischen Umständen in hohem Maße anfällig ist [ebenda, S. 38]. So unterliegt es Täuschungen, Illusionen, dem Einfluss von Priming, der Wiederholung u. a.

System 1 verfügt über die nicht willentlich herbeigeführte Assoziationsmaschine, die die zu einem Kontext bei uns im Gedächtnis vorhandenen Vorstellungen aufruft, von denen uns dabei nur ein Bruchteil bewußt wird, aber zu dem Kontext potentielle Antworten bereitstellen kann.

Damit kann geschlussfolgert werden, die für einen Kontext von der Assoziationsmaschine des System 1 zur Auswahl für System 2 bereitgestellten ”Muster“ sind unwillkürlich entstanden. Denn nur System 2 ist uns willentlich zugänglich. System 1 arbeitet automatisch, kann nicht abgeschaltet werden und ist unwahr-scheinlich schnell. Z.B.: Sie öffnen die Augen und das 2-D-Bild Ihres Augenhintergrundes wird vom System 1 sofort in ein 3-D-Bild des betrachteten Raumes umgewandelt, wo jedes Objekt seinen Platz mit allen Raumbeziehungen hat (vor-, über-, neben-, nacheinander, …), jedes zugleich als bekanntes oder unbekanntes Objekt konkret identifiziert und noch eine Einschätzung der Raumsituation (normal, verschmutzt) mit Handlungsempfehlung (”alles ok“) gegeben wird. Das ist ”das, was wir normalerweise nennen als bewusstes Sehen, das sich vor Augen halten, die Vorstellung und als intuitives Denken verstehen bzw. empfinden“ [nach ebenda, S. 31].

Und von dieser Assoziationsmaschine werden offensichtlich auch die „Anregungen“ geliefert, die – wenn sie vom System 2 aufgegriffen werden – zu den gesuchten Ideen (kreativer Kick) werden können. Dabei lässt die Vorgeschichte des „Füllens“ der unbewussten Assoziationsmaschine einen gewissen Einfluss vermuten, je umfangreicher und zutreffender diese Vorgeschichte (angehäufte Erkenntnisse, Erfahrungen, Experimente, …) sei, umso mehr und eventuell sogar zielnäher könnten geeignete „Anregungen“ von ihr geliefert werden. Diese Vermutung scheint der nennenswerte Einfluss zu sein, der bewusst und längerfristig geliefert werden kann, um die unwillkürliche Assoziationsmaschine im Sinne einer angestrebten Lösung zu ‚lenken’. Vielleicht kommt daher die Aussage, ‚er ging mit der Idee lange schwanger’. Da könnte eine optimale Folge von Programmschritten oder anderer Formen einer KT durchaus auch hilfreich sein.

Es kann aber auch eine weitere Einschätzung aus der nachfolgenden Situation geschlussfolgert werden: Während das System 1 rasend schnell viele Muster entwirft, auch unsinnige bis evtl. kreative, muss das System 2 erfolgsträchtige Muster erkennen, sich diese vorstellen können und die Beurteilung dazu übernehmen und mit seinen Mitteln auswählen und nachvollziehbar fixieren, was als kreative, innovationsträchtige Lösung durchgehen könnte –  also vorausschauend in seiner künftigen Bedeutung erkennend. 

Hierbei könnte ein Bezug zu KT schon Bedeutung haben, denn sowohl System 1 (KT leistet Anregungen beim Musterentwurf) als auch System 2 (Mittel zum Erkennen („Aha“) und zur Auswahl geeigneter Muster, z.B. durch Präzisierung der Anforderungen an eine Aufgabenstellung, – also Analyse der Aufgabenstellung – u. a. durch KT) könnten so unterstützt werden. Während System 2 letzteres durch klarere problemgerechte Kriterien, Erfahrungen und Wissen die geeignete Lösung besser erkennen und die Auswahl evtl. erleichtern kann, könnte durch das schon benannte Manövrieren* – also Springen zu alternativen oder ergänzenden Anregungen, zum ‚Idealen Endresultat’ oder zum ‚Unerwünschten Effekt’, zu den ‚Altshullerschen kleinen Männeln’, zur Widerspruchsformulierung und vielen anderen Anregungen von KT – die Assoziationsmaschine manipuliert oder einfach weiter angetrieben werden. Das wäre der Sinn des ‚Manövrierens’ bei der Programmabarbeitung und einer der Einflüsse der KT, der eine Leistungssteigerung konkret hervorbringt.

Für die Anwendung der Kreativitätstechniken spricht auch die Aussage [S. 50] ausgehend von dem allgemeingültigen Gesetz des geringsten Aufwandes für kognitive wie auch für physische Anstrengungen: „Je mehr Geschick man bei der Lösung einer Aufgabe entwickelt, umso weniger Energie muss man für sie aufwenden … dass sich das mit einer Handlung verbundene Aufmerksamkeitsmuster mit der Fertigkeit verändert. … Begabung hat ähnliche Wirkungen. Hochintelligente Menschen lösen die gleichen Probleme müheloser …“ [ebenda, S. 50]. Das spricht für die konsequente Nutzung von Kreativitätstechniken, die ein ”optimiertes Geschick“ für die Lösung der jeweiligen Aufgabe anbieten!

Soweit der Rückgriff auf Kahneman und den Zusammenhang mit KT.

Das potentielle und reale Zusammenwirken von System 1 und 2 ist offensichtlich für den Menschen sehr vorteilhaft, aber für die Aufklärung des kreativen Schlusses (des kreativen Kicks), das Erfassen des kreativen Kerns ein bedeutendes Hindernis, an dem sich auch die Digitalisierung die Zähne/Bits ausbeißen wird, wenn – wie oben erläutert – gilt: ”System 1 liefert Vorschläge für System 2, Eindrücke, Intensionen, Absichten und Gefühle. Unterstützt System 2 diese Eindrücke und Intensionen, werden sie zu Überzeugungen.“ Danach wäre die Quelle einer kreativen Idee grundsätzlich im schnellen System 1 angesiedelt, das uns willentlich nicht zugänglich ist, und sie braucht zum Erkennen das Zusammenspiel mit System 2.

Daraus ließe sich der Schluss ziehen, wir wissen nicht wie das System 1 (die Assoziationsmaschine) konkret arbeitet – also Vorschläge generiert, denn die Arbeit des System 1 ist nicht beobachtbar, also ist für den Computer – auch für die sogenannte KI (künstliche Intelligenz) ein anderes Vorgehen nötig als eine Simulation (die wir gar nicht im Original erfassen können) des in unserem Kopf ablaufenden kreativen Prozesses. Es kann weiter gelten: ein tatsächlich integriertes Zusammen-wirken von Mensch und Computer beim kreativen Kick erscheint unwahrscheinlich, weil das ‚unwillentliche’ Wirken von System 1 keinen Anschluss zum Computer bietet. Würde der Computer die Arbeit einer Assoziationsmaschine übernehmen, könnte – wenn aufgeklärt ist, wie das Erkennen und Bewerten einer ‚solchen Anregung’ als Basis der kreativen Idee funktioniert – er auch die Auswahl/Bewertung der Anregungen simulieren. Das erscheint insofern als möglich, weil das vom willentlich zugänglichen System 2 zu leisten wäre. Da könnte das Bewerten kein so großes Hindernis sein, wohl aber das Erkennen, das nicht nur logischen Schritten unterliegt (ist nicht einfach vorstellbar, wie das Erkennen funktioniert). Es sei an die Lullus-Maschine (s. unten) erinnert, selbst wenn diese einfache Assoziationsmaschine die Folge E= m x C²‘ schreibt, würde wohl zum Erkennen der tatsächlichen Bedeutung dieser Folge auf dieser Ebene mindestens wieder eine Assoziationsmaschine benötigt, sonst gibt es keine treffende Bewertung für die bloße Symbolfolge. Damit sind wir wieder auf dem Stand vom Anfang, dass das „Erkennen“ offensichtlich auch einen Implus von System 1 braucht, diesmal bezüglich der Bedeutung des vorgelegten Musters.  Ein langer Weg bevor die KI sich dem Erfinden, der Kreativität, nähern könnte!

Allerdings gilt es zu beachten: die Leistungsfähigkeit von System 1 beruht auf der Vorgeschichte (Erleben, Erfahrung, Ausbildung, Wissenserwerb, Assoziationsversuche, …) einer (!) betreffenden Person. Da könnte ein Computer wohl mehr verarbeiten, aber bei System 2 versagt er (noch?), denn er müsste „erkennen“ können, ob das vorgelegte Muster z.B. eine gesellschaftliche Relevanz (kreative Lösungsidee) haben könnte. Hier ist mir der dazu nötige Erkennprozess des Systems 2 nicht klar, aber wahrscheinlich ist das wieder ein kreativer Prozess mit Assoziationsmaschine und so, also siehe oben.

Wenn wir keine Chance sehen, den (unbewussten) Vorgang im System 1 zu beschreiben, zu erfassen und den Vorgang im System 2 bisher im entscheidenden Detail (”Das Verstehen, das Erkennen der ‚tatsächlichen kreativen‘ Anregung aus der Fülle des Angebotenen“) nicht konkret (für den Menschen) bestimmen können, sind die Hoffnungen, sie technisch nachvollziehen zu können, sehr gering. Dann bliebe z.B. doch, für „Kreativität aus dem Computer“ zu versuchen, einen grundsätzlich anderen Weg zu gehen als ihn der Mensch geht. Wäre das nachdenkenswert (wie es Lullus mit seiner Vorrichtung schon versuchte. Vgl. Stanke, K.: Handlungsorientierte Kreativitätstechniken. ebenda S. 13) oder nicht?

Trotz dieser Unbestimmtheiten spricht das für KT und gegen ein alleiniges Vorgehen nach dem Prinzip Versuch und Irrtum und ein spontanes, generell intuitives Vorgehen, weil das zwar auch die ‚Assoziationsmaschine anregen‘ kann, aber deutlich weniger oder gar nicht zielgerichteter und damit uneffektiver. Außerdem ist im kreativen Prozess schon ein Anteil „nicht willentlich erreichbarer“ Bestandteile enthalten.

Also, der Ansatz der Idee entsteht ohne willentlich beeinflusst werden zu können im System 1, nachdem mit KT das Feld für die Ideenproduktion (‚Vorschläge’) von System 1 evtl. breiter aufgespannt werden konnte und das System 2 empfänglicher „gemacht“ wurde durch klarere Aufgabenstellungen mit den dafür geeigneten KT. Entscheidend ist, dass ein Ansatz einer Idee (‚Vorschlag’) durch das System 2 als tragfähig erkannt wird, um ihn dann mittels der logischen Operationen (z.B. systematisches Prüfen der Vorgaben, …) bewusst zur Idee zu entwickeln.

Aus diesen Überlegungen resultiert die Empfehlung, nicht zu viel Kapazität für den Versuch zu verwenden, den Vorgang des Menschen beim kreativen Kick für den Computer zugänglich zu machen, dafür mehr Kapazität – oder überhaupt welche – um das ”Manövrieren“, das flexible, schöpferische Arbeiten mit Methoden und ihrer ”Verinnerlichung“ besser aufzuklären.

Diese Empfehlung aus den Überlegungen zum ‚Kahnemanschen Modell’ liegt darin begründet, dass das Wechselspiel von System 1 und 2 von Kreativitätstechniken unterstützt werden können, aber nicht ersetzt oder irgendwie vorgegeben werden können, da die tatsächlich entscheidenden Vorgänge als unbewusste Vorgänge für eine kreative Lösung nicht beobachtbar und beschreibbar sind. Also sollten auch keine Anstrengungen unternommen werden, durch zu viel vorgegebene, aber letztlich mit Pseudo-Wirkung versehene Vorschriften, Regelungen und Komplexität – statt Unterstützung und Anregung – Reglementierung zu produzieren.

Hier bietet es sich an zu „Intuition“ noch eine Kommentierung zu gegeben: Lt. Duden ist Intuition eine „Eingebung, ein ahnendes Erfassen, ein unmittelbare Erkenntnis“. Umgangssprachlich wird sie mit „Eingebung“ identifiziert, teils sogar von Außen oder einem höheren Wesen. Sicher gibt es auch äußere Faktoren der Anregung, aber nach vorstehenden ist die kopfeigene „Assoziationsmaschine“ die Quelle für den Ideenansatz. Es braucht keine Verklärung dieses Vorgangs und schon gar nicht der Betonung eines intuitiven Vorgehens bei einer Programmanwendung. Das wendet sich nur gegen die – weil auch unbequeme – aber konsequente methodisch-systemwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise und eine rationelle Systematik der KT- Anwendung. Es braucht keine Betonung, dass beim ‚kreativen Kick‘ „nicht willentlich erreichbare“ Bestandteile eine reale Bedeutung für das kreative Ergebnis haben, die in der Natur des Menschen liegen und ihm das Primat für die kreative Leistung sichern. Auch wenn es nicht einfach zu erfassen und verstehen ist, so ist es doch gut so.

Zusammenfassung

KT sind nützlich und sollten mehr angewandt werden.

Hier versagen (aus Überheblichkeit?) viel zu viele Ausbildungseinrichtungen; oft bloß, weil die KT ‚mehr allgemeingültig‘ und nicht so fachspezifisch sind. Es gibt genügend KT, wenn auch nicht alle optimal sind, aber auch deren Anwendung ist besser als ohne KT zu arbeiten. KT haben ein begrenztes Steigerungspotential bezüglich der Effektivität, aber nicht ‚KT zu verbessern‘ ist der Schwerpunkt, sondern sie trotzdem anzuwenden. Es ist nichts Besseres da!

20 …60 % Effektivitätssteigerung bei Denkprozessen in Forschung und Entwicklung sind ein riesiges Potential was genutzt werden muss. Es gibt genug unbearbeitete Aufgaben für dieses zusätzliche Potential.

Die Suche nach KT für den „kreativen Kick“ – bei manchen KT-Entwicklungen vermutbar – bringt auf absehbare Zeit nicht mehr als die nach dem „Stein der Weisen“.

Klaus Stanke

*Siehe dazu „www.problemlösendekreativität.de“