„Computer“-Zukunft der Kreativität

20.07.20

Prof. Dr Klaus Stanke mit freundlicher Unterstützung von Dr. Dietmar Zobel und Prof. Dr. Peter Koch
Die Kurzbiografie des Autors finden sie auf der Seite Über uns

Aussagen zur Kreativität, insbesondere ihrer „Computer“-Zukunft

Werden die Computer die menschliche Leistung bezüglich der Kreativität topen? Können damit Hinweise auf ihre Zukunft – die der Kreativität – abgeleitet werden?

K. Stanke

1. Vorweg einige Definitionen zu „Kreativität“

In WIKIPEDIA findet man unter dem Stichwort Kreativität (Stand 02.09.2019):

Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist“.[1][2] Darüber hinaus gibt es dort verschiedene Ansätze, was Kreativität im Einzelnen auszeichnet und wie sie entsteht. 

Das Wort Kreativität bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch vor allem die Eigenschaft [besser wäre der Begriff „Fähigkeit“] eines Menschen, schöpferisch oder gestalterisch tätig zu sein. Daher ist fälschlicherweise die Vorstellung verbreitet, dass Kreativität nur mit Berufen oder Tätigkeiten aus den Bereichen der bildenden Kunst und der darstellenden Kunst verbunden sei (art bias).[3]

Es wird zwischen alltäglicher (small c) und außergewöhnlicher (Big C) Kreativität unterschieden.[4] Außergewöhnliche Kreativität ist die herausragende (meist objektive) Kreativität wie auf der Ebene der Genies. Alltägliche Kreativität ist die (meist subjektive) Kreativität, die sich bei den meisten Menschen beobachten lässt, wie das Umgestalten eines Gartens oder das Improvisieren beim Kochen.[4][5] Dabei existieren viele Übergänge von alltäglicher und außergewöhnlicher Kreativität. Beide entwickeln sich in einem Zusammenspiel von Begabungen, Wissen, Können, intrinsischer Motivation, Persönlichkeitseigenschaften und unterstützenden Umgebungsbedingungen.[6][7][8]
[die zitierten Quellenangaben im Text sind bei WIKIPEDIA unter dem Stichwort „Kreativität“ einsehbar]

Weiterhin ist Kreativität in WIKIPEDIA wie folgt definiert:

Dorsch kam noch 1994 (wie andere Forscher auch) zu dem Schluss, dass Kreativität kein scharf eingrenzbarer Begriff sei, dass sie also Raum zur Spekulation biete.[13] Inzwischen ist jedoch seit Anfang der 2000er Jahre die oben genannte Definition die Standarddefinition von Kreativität. Darüber hinaus gibt es viele Abwandlungen von dieser Definition. Zum Beispiel wurde auch vorgeschlagen sich nur auf das Kriterium der Neuheit/Originalität zu beschränken.[14] Das wurde jedoch kritisiert, da damit jede noch nicht da gewesene bizarre Handlung oder Äußerung schon als kreativ bezeichnet werden müsste.[15]

Eine andere Definition bezieht die Standarddefinition auf den kreativen Prozess: Der Kognitions-psychologe Joy Paul Guilford bezeichnete als kreativ jede neue, noch nicht da gewesene, von wenigen Menschen gedachte und effektive Methode, ein Problem zu lösen beziehungsweise die Miteinbeziehung von Faktoren wie Problemsensitivität, Ideenflüssigkeit, Flexibilität und Originalität. Demzufolge wäre Kreativität die zeitnahe Lösung (Flexibilität) für ein Problem mit ungewöhnlichen, vorher nicht gedachten Mitteln (Originalität) und mehreren Möglichkeiten der Problemlösung (Ideenflüssigkeit), die für das Individuum vor der Problemlösung in irgendeiner Weise nicht denkbar ist (Problemsensitivität).
[Anmerkung: Diese Definition der Kreativität ist sicher eine von vielen. Der dort gewählte Begriff ‚Methode’ für kreativ trifft u. M. nicht genügend zu, besser wäre evtl. ‚Lösung für ein Problem’ – also ergebnisorientiert. Hätte der prozessuale Aspekt betont werden sollen – was sicher nicht so zutreffend ist – sollten die neutraleren Begriffe wie ‚Art’ oder ‚Vorgehensweise’ den doch strenger besetzten Begriff ‚Methode‘ besser ersetzen. Denn erst nach Abschluss des kreativen Prozesses – wenn es richtig ist, dass ein kreatives Ergebnis als solches erst eingeschätzt werden kann, wenn es (mindestens in groben Zügen) vorliegt – kann hinreichend beurteilt werden, ob das Ergebnis tatsächlich im benannten Sinne kreativ sei. Als weiteres Bedenken gegen den verwendeten Begriff ‚Methode’ kommt hinzu, dass ‚Methode’ doch den Vorzug gegenüber den möglichen Lösungen hat, das Invariante, das Allgemeine, das für viele Anwenderfälle Nutzbare zu sein. Der Stein des Weisen wäre z. B. dann eine solche universelle Methode. Da aber keiner – auch nicht „wenige Menschen“ – über eine Methode (quasi gepachtet) verfügen (und verfügen werden), deren Anwendung zulässt, (alles oder viele) Probleme kreativ zu lösen, erscheint diese Konkretisierung als nötig. Vielleicht hat hier die künstlerisch-musische Kreativität einen Hintergrund geliefert, denn wenn wirklich jedes Bild von Picasso kreativ sei, dann könnte seine Malmethode tatsächlich die kreative Methode sein. Bei problemlösender Kreativität in Wissenschaft und Technik erscheint eine Methode – selbst bei Patentinhabern mit Tausenden Patenten – nicht real, deren methodische Anwendung zu kreativen Ergebnissen führt, und trifft auch praktisch nicht zu.]

Auch Wissenschaftler wie Stein (1953), John E. Drevdahl (1956) und Edward de Bono (1957) versuchten, Kreativität zu definieren, um sie messbar zu machen. De Bono prägte unter anderem den Begriff des lateral thinking, der als Querdenken in die deutsche Umgangssprache Einzug hielt.[16] 1962 versuchten Getzel und Jackson, Kriterien festzulegen, die den kreativen Menschen als solchen erkennbar machen sollten. Dabei legten sie vier Hauptmerkmale fest, die sie als kreative, intelligente, moralische und psychologische Fähigkeiten bezeichneten.[16] Weitere Definitionen stammen von D. W. MacKinnon (1962) und F. Barron (1965).[13] Dabei definierte McKinnon Kreativität als eine Idee, die neu ist und gleichzeitig selten von mehreren Menschen gedacht wird, die zu verwirklichen ist und die der Verbesserung oder der Veränderung dient.“ [Die zitierten Quellenangaben im Text siehe WIKIPEDIA]

Auch auf unserer Website http://www.problemlösendekreativität.de befassen wir uns mit dem Begriff Kreativität:

„Was ‚kreativ’ ist, zeigt erst das Resultat! 

Kreativität ist ein so ähnlich komplizierter Begriff wie „Gesundheit“. Gesundheit ist Abwesenheit von Krankheit. Aber was ist Krankheit? Für den einen etwas Unwohlsein, für den anderen Grund, eine Woche zu fehlen. Nur für die Krankenkasse, die Steuer, das Arbeitsamt u. ä. Einrichtungen gibt es starre Regeln. Die Menschen leben damit, dass sie im Kern, im Schwerpunkt des breiten Begriffs wissen, was Gesundheit ist. Und genau so reicht diese Vergleichserklärung für den Begriff ‚Kreativität’. Wir beschreiben deren Kern „durch das Ergebnis eines kreativen Prozesses, Neues hervorgebracht zu haben“. Eigentlich wissen wir somit erst hinterher, ob ein kreativer Prozess vorlag. Das genügt doch auch, denn oft ist schon die Absicht löblich!“stellt [St 1, S.17] fest.“

Kreativität kann praktikabel so beschrieben werden [St 1, S.17]: „… sollte … versucht werden zu klären, was Kreativität eigentlich ist. Man kann sie auch mit Schöpfertum bezeichnen. Dieser deutsche Begriff bezieht vorteilhafterweise deutlicher den Menschen als Hervorbringer des Schöpferischen ein (aber wird z. B. in der Religion anders gebraucht und der Schöpfertumsbegriff ist auch darüber hinaus deutlich breiter in der Verwendung als Kreativität). Fremdworte – wie Kreativität – sind allerdings modern und lassen sich besser „einsortieren“, so z. B. von der kirchlichen Verwendung des Begriffs abgrenzen. 

Kreativität kennzeichnet die Fähigkeit des Menschen, Neues, in gleicher Eigenart noch nicht Dagewesenes, hervorzubringen. 

Eigentlich könnte noch ergänzt werden: „was besser sei“. Aber was ist „besser“? Wer bestimmt das? Schon damit könnte der Definitionsstreit losgehen. Hinzu kommt z. B.: wenn etwas nachempfunden oder nacherfunden wird, ohne dass es dem so ‚Kreativen’ vorher bekannt war, dann liegt doch die gleiche schöpferische Leistung vor, oder? Wenigstens subjektiv (bezogen auf das Individuum), objektiv wohl nicht (bezogen auf das Wissens-, Fähigkeits- und Denkvermögen der Gesellschaft; bei einem Kunstwerk schon gar nicht). Aber was ist objektiv, wer bestimmt das?“

Es lassen sich je nach Autor viele weitere Begriffsfestlegungen oder Vorschläge finden. Die ideale Fassung ist bisher offensichtlich nicht dabei, auf die sich alle einigen könnten. Für den praktischen Prozess erscheint eine nach allem und allen abgestimmte Definition nicht als unbedingt nötig, wenn im Kern erfasst wird, was unter Kreativität zu verstehen ist.

Allerdings gibt Zobel [www.problemlösendekreativität.de/literaturliste: Z 2] aus seinem sehr breiten Fundus von Büchern zur Kreativität [s. Litera­turliste oder einfach www.dietmar-zobel.de] eine knappe, aber gut treffende Definition der Krea­tivität an, die das Phänomen anspruchsvoller Kreativität trifft:

„Kreativität ist die Fähigkeit, aus Gegebenem ungewöhnliche Schlüsse zu ziehen und Ungewöhnliches schaffen zu können.“

Er erläutert dazu weiter: Das „Gegebene“ ist das jedermann verfügbare Assoziationsmaterial; es sind so zu sagen die „Bauelemente unserer Wirklichkeit“. Dazu gehört das konventionelle Wissen, die uns bekannten Stoffe und Objekte aller Art, unsere Kenntnisse von Energien, Verfahren, Vorrichtungen, die theoretischen Grundlagen bekannter Prozesse einschließlich der informationellen u. a. m.

Mit dieser Definition soll der kurze Exkurs zu „Kreativität“ abgeschlossen werden. Er klärt etwas zur Kreativität auf und macht deutlich, der ‚Stein des Weisen’ ist für eine Definition nicht nötig. Es reiche durchaus, sich mit diesen ausgewählten Aspekten identifizieren zu können, um auf dieser Basis sich dann den anderen Kategorien der Kreativität zu wenden zu können.

2. Zum Problem „Kreativität“

Kreativ ist die Art und Weise, wie vorgegangen wird, um etwas Neues zu schaffen – exakter: wie vorgegangen wurde, wenn etwas Neues geschaffen werden sollte und das auch wurde. Es kann aber erst hinterher vom Resultat aus eingeschätzt werden, ob ein kreatives Ergebnis erzielt wurde.

Es ist im Konkreten nicht schaffbar, mit einem determinierten Plan ein kreatives Ergebnis sicher zu erreichen. Natürlich kann auch ohne Plan, z.B. durch Zufall, „Eingebung“- was das auch immer sei – oder Fantasie ein kreatives Ergebnis entstehen. Diese Art ist allerdings einer systematischen Vorgehensweise nicht zugänglich – und wegen der fehlenden Wiederholbarkeit mit endlichem Aufwand damit hier nicht nutzbar. 

Zur Erhöhung/Steigerung der Anzahl kreativer Ergebnisse ist nicht nur ein Weg nötig, der dabei hilft, (mehr) kreative Leistungen zu erzielen, es muss auch beim Umfeld, bei der Motivation, bei den Anreizen, der Teamarbeit und Gestaltung der Arbeit des Kreativen Erhebliches noch geleistet werden.

Es wird ein bedeutendes Mehr an Kreativität gebraucht.

Bisher wird durch die verschiedensten Vorgehensweisen, Empfehlungen (gar Regeln) und Methoden i. d. R. der Wirkungsgrad der Arbeit – denken, entwerfen, suchen, berechnen, probieren, testen, … – des/der mit dem Erzielen eines kreativen Ergebnisses Befassten erhöht bzw. soll erhöht werden. Dabei sind die verschiedenen Vorgehensweisen und Methoden mehr oder weniger nahe zum kreativen Leisten, ohne es – selbst mit den erfolgreichsten – zu determinieren oder wenigstens nachvollziehbar dokumentieren zu können, obwohl seit über 2000 Jahren Anstrengungen in dieser Richtung verlaufen.

Offensichtlich sind u. a. die Originalität und Spezifik echt kreativer Ergebnisse außergewöhnlicher Kreativität – um die geht es hier und zwar auf dem Gebiet von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft, weniger um künstlerische Kreativität oder gar um Alltagskreativität – auch die Gründe, dass diese zu einmaligen Ergebnissen hohen Niveaus führenden Vorgänge nicht beobachtbar und damit nicht nachvollziehbar beschreibbar sind. Das verhindert wohl die nachvollziehbare Erfassung dieses Schrittes grundsätzlich. Der „kreative Schluss“ ist offensichtlich selbst dem jeweiligen Kreativitäts-Autor in einer Mischung von „Funktionieren des Wechselspiels von System 1 und 2“ nach Kahneman [Ka 1] nicht genügend zugänglich, um ihn gut erfassen zu können.

Das Zusammenwirken dieser Systeme erklärt evtl. dieses Phänomen. Dazu sei etwas ausgeholt: Aus der Rezension zu [Ka1] in www.problemlösendekreativität.de:

System 1 (das schnelle Denken) hat die angeborene Fähigkeit … unsere Umwelt wahrzunehmen, auf Gefahren schnell zu reagieren, Verluste zu vermeiden, … unsere Aufmerksamkeit durch Aktivierung von System 2 (das langsame Denken) zu wecken – und durch langes Üben automatisierte Routinen auszubilden. Es kann Assoziationen zwischen Vorstellungen bilden, kann lesen und Nuancen sozialer Situationen verstehen.

Das Wissen ist im Gedächtnis gespeichert und wird ohne Intension und ohneAnstrengung abgerufen. Das System 1 arbeitet automatisch ohne uns bewusst zu sein.

„Das unwillkürliche System 1… erzeugt erstaunlich komplexe Muster von Vorstellungen, aber nur das langsamere System 2 kann in einer geordneten Folge von Schritten Gedanken konstruieren.“ [Ka 1; S. 33 ] „System 1 arbeitet automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Anstrengung“. „System 2 lenkt die Aufmerksamkeit auf die anstrengenden mentalen Aktivitäten, … darunter auch komplexe Berechnungen … 

Wenn wir an uns selbst denken, identifizieren wir uns mit System 2, dem bewussten, logisch denkenden Selbst, das Überzeugungen hat, Entscheidungen trifft und sein Denken und Handeln bewusst kontrolliert[Ka1; S. 33].

System 2 kann die Kontrolle übernehmen, indem es ungezügelte Impuls und Assoziationen von System 1 verwirft oder hervorhebt (als bedeutsam erkennt!) System 2 erfordert Aufmerksamkeit für seine Aktivität. Ist die gestört oder ist es überlastet, entstehen Fehler (Es gibt ein Aufmerksamkeitsbudget! „Die intensive Konzentration auf eine Aufgabe kann Menschen blind für Stimuli machen, die normalerweise die Aufmerksamkeit erregen“ [Ka 1; S.36]).“ …

System 1 und 2 sind immer aktiv; System 2 normalerweise im Modus geringer Anstrengung mit nur einer Teilkapazität. System 1 liefert Vorschläge für System 2, Muster, Eindrücke, Intensionen, Absichten und Gefühle. Unterstützt System 2 diese Eindrücke und Intensionen werden sie zu Überzeugungen und willentlichgesteuerten Handlungen. System 2 kann logisch denken und so Vorschläge von System 1 überprüfen, was es aber nicht immer tut [„ist faul“ s .S. Ka 1; 61 f.], sondern der intuitiven Aussage von System 1 „vertraut“.

Normal akzeptiert System 2 alle Vorschläge von System 1. Gerät System 1 in Schwierigkeiten, fordert es von System 2 eine genauere Verarbeitung an, die das Problem möglicherweise lösen könne. System 2 wird auch mobilisiert, wenn es gegen das Weltmodell von System 1 verstößt [Ka1; S. 38] z. B., wenn es „hüpfende Lampen“ sieht! Überraschung aktiviert Aufmerksamkeit und damit System 2. Dieses ist auch für die ständige Überwachung des Verhaltens zuständig, also dass man höflich bleibt, auch wenn man Wut hat.

„…der größte Teil dessen, was Sie (Ihr System 2) denken und tun, geht aus System 1 hervor, aber System 2 übernimmt, sobald es schwierig wird, und es hat normalerweise das letzte Wort.

Die Arbeitsteilung zwischen System 1 und System 2 ist höchst effizient: Sie minimiert den Aufwand und optimiert die Leistung. Diese Reglung funktioniert meistens gut, weil System 1 im Allgemeinen höchst zuverlässig arbeitet: seine Modelle vertrauter Situationen sind richtig, seine kurzfristigen Vorhersagen sind in der Regel ebenfalls zutreffend, und seine anfänglichen Reaktionen auf Herausforderungen sind prompt und im Allgemeinen angemessen. Die Leistungsfähigkeit von System 1 wird jedoch durch kognitive Verzerrungen beeinträchtigt, systematische Fehler, für die es unter spezifischen Umständen in hohem Maße anfällig ist“ [Ka 1; 38]. So unterliegt es Täuschungen, Illusionen, dem Einfluss von Priming, der Wiederholung u. a.

System 1 verfügt über die nicht willentlich herbei geführteAssoziationsmaschine, die die zu einem Kontext bei uns im Gedächtnis vorhandene Vorstellungen aufruft, von denen uns dabei nur ein Bruchteil bewusst wird, aber zu dem Kontext potentielle Antworten bereitstellen kann.

Damit kann geschlussfolgert werden, die zur Auswahl für System 2 stehenden „Muster“ sind unwillkürlich entstanden.

Nur System 2 ist uns willentlich zugänglich. System 1 arbeitet automatisch, kann nicht abgeschaltet werden und ist unwahrscheinlich schnell. Z. B.: Sie öffnen die Augen und das 2-D-Bild Ihres Augenhintergrundes wird vom System 1 sofort in ein 3-D-Bild des betrachteten Raumes umgewandelt, wo jedes Objekt seinen Platz mit allen Raumbeziehungen hat (vor-, über-, neben-, nacheinander, …), jedes zugleich als bekanntes/ unbekanntes Objekt konkret identifiziert wird und noch eine Einschätzung der Raumsituation (normal, verschmutzt) mit Handlungsempfehlung („alles ok“) gegeben wird. Das ist „das, was wir normalerweise Sehen und intuitives Denken nennen.“[Ka 1; S. 31]

Es kann wieder geschlussfolgert werden: Während das System 1 rasend schnell viele Muster entwirft, auch unsinnige bis evtl. kreative, muss das System 2 die Beurteilung dazu übernehmen und mit seinem Mittels auswählen und so erkennen, was als kreatives durchgehen könnte.

Als Ergänzung hier schon der Bezug zu Kreativitätstechniken, die sowohl System 1 (Anregung für Musterentwurf, …) als auch 2 (Mittel zur Auswahl geeigneter Muster z.B. durch Präzisierung der Anforderungen an eine Aufgabenstellung, u. a.) unterstützen können:

Interessant für die Anwendung der Kreativitätstechniken ist die Aussage Ka 1; S. 50 ausgehend von dem allgemeingültigen Gesetz des geringsten Aufwandes für kognitive wie auch für physische Anstrengungen: „Je mehr Geschick man bei der Lösung einer Aufgabe entwickelt, umso weniger Energie muss man für sie aufwenden. … dass sich das mit einer Handlung verbundene Aufmerksamkeitsmuster mit der Fertigkeit verändert, … Begabung hat ähnliche Wirkungen. Hochintelligente Menschen lösen die gleichen Probleme müheloser …[Ka 1; S. 50]. Das spricht für die konsequente Nutzung von Kreativitätstechniken, die ein „optimiertes Geschick“ für Lösung der jeweiligen Aufgabe anbieten!“ [Quellen zu Kahneman siehe bei www.problemlösendekreativität.de]

Dieses Zusammenwirken ist offensichtlich für den Menschen sehr vorteilhaft, aber für die Aufklärung des kreativen Schlusses, das Erfassen des kreativen Kerns ein bedeutendes Hindernis, an dem sich auch die Digitalisierung die Zähne /Bits ausbeißen wird, wenn o. g. gilt: “System 1 liefert Vorschläge für System 2, Eindrücke, Intensionen, Absichten und Gefühle. Unterstützt System 2 diese Eindrücke und Intensionen werden sie zu Überzeugungen.“ Danach wäre die Quelle einer kreativen Idee im schnellen System 1 angesiedelt, das uns willentlich nicht zugänglich ist, und sie braucht zum Erkennen das Zusammenspiel mit System 2“.

Daraus ließe sich der Schluss ziehen, für das Zusammenwirken mit den Computer ist ein anderes Vorgehen als das über die Simulation des in unserem Kopf Ablaufenden nötig. Ein weiterer Schluss: ein tatsächlich integriertes Zusammenwirken erscheint unwahrscheinlich.

Kreativität, Kreativsein sollte eher als Eigenschaft des Ergebnisses eines speziellen Arbeits- bzw. Denkprozesses gesehen werden – wie z. B. die Farbe „gelb“. Nicht als etwas Gegenständliches oder als Verfahrenselement, nach dem man im kreativen Prozess suchen kann und wenn man es hat, für die Maschine oder andere Menschen programmieren könnte. Es entsteht eigentlich ja – siehe oben – erst im Nachgang, also später, wenn es als außergewöhnliche oder wenigstens bedeutende Eigenschaft des zustande gekommenen Ansatzes oder der Lösung begriffen und dann so dokumentiert wird.

Kreative Leistung, wie sie entsteht, wie vorzugehen ist, … ist für deren Kernprozess, das Erkennen des Kreativen an der Lösungsidee nicht fassbar zu beschreiben, zu belegen, zu begründen und damit für Nachvollzug/Wiederanwendung bei anderen Problemlagen nicht zu nutzen. Allerdings sind einige Bedingungen, Umstände und Hilfen angebbar, die erfahrungsgemäß das Erzeugen kreativer Leistungen fördern. Und das ist doch schon was (siehe bei 3.).

Es ist sicher einfach, eine (neue) Variante zu einer Lösung zu erzeugen – das wird z. B. oft bei Brainstorming u. a. angeblichen „Kreativitätstechniken“ schnell gemacht – aber ob eine solche Variante eine kreative Lösung sei, erfordert die Erkenntnis ihrer tatsächlichen Kreativität. Wie dieses meist sofortige Erkennen funktioniert, ist bisher nicht erfasst – trotz vieler Arbeiten unterschiedlicher Autoren seit Jahrtausenden. Es drängt sich der Gedanke auf, dass es allgemein nicht beschreibbar sei, selbst wenn es für einen konkreten Fall gelänge – vgl. die o. g. Aussagen zu System 1 und 2.

Damit hätte die Übertragung dieses Erkenntnisvorgangs an einen Computer keine reale Chance. Und ohne die Kenntnis dieses Erkenntnisvorgangs („ich[wir/sie] habe[haben/hat] es!!“) hat eine kreative Lösung keine Chance, eine solche ‚kreative Lösung mittels einer Maschine’ zu werden – z.B. durch den Lullus’schen Drehstab [die einfachste Einrichtung zum formalen Generieren von Aussagen = Ideen! Sie funktioniert wie folgt: eine Einrichtung, die mit beliebig vielen Scheiben versehen ist, wobei jede Scheibe mit dem Alphabet, den Zahlen 0-9 und den wichtigsten Zeichen +, -, > … versehen ist. Durch Drehen der aneinander gefügten Scheiben kann oben eine „Zeile“ gelesen werden, die einen sinnvollen Satz ergibt oder einfach Unsinn ist] oder eben durch eine moderne IT-Maschine generiert -. Was nutzt die Aussage (mit nur 6 Scheiben erreichbar!): E= m x c2, wenn man es nur als Folge auf dem Lullus’schen Stab sieht und keiner seine Bedeutung erkennt. Dieses „Erkennen“ bedeutet: der kreative Mensch müsste zweierlei leisten, den ausgewählten (wie?) „Satz auf dem Drehstab“ oder den jeweiligen Gedanken als ‚wichtig’ erfassen (neu, originell, ungewöhnlich, außerordentlich, lustig, …) und dann mit seiner Bildung, seinem Wissen, wenigstens seinem Fachwissen auf diesem Gebiet, … dessen Beutung beurteilen und gegebenenfalls als „kreativ trächtig“ vorläufig einordnen. 

Nebenbei: sicher wäre es für die Menschheit gut, wenn Computer auch in Zukunft nicht „erkennen“ könnten.

Noch zwei Ergänzungen können beim Beurteilen der Chancen genutzt werden, dem Computer zu „Kreativität“ zu verhelfen. Zobel [Z 5, neue Auflage] behandelt in “ Kreatives Arbeiten“ einleitend den Unterschied von Intelligenz und Kreativität, wobei Kreativität einfach ein anderes, höheres Level erfordert – auch wenn es keine einheitliche Auffassung in der Literatur zu diesen Termini gibt. Unter Intelligenz kann im Minimum die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung mindesten für logische Erfordernisse verstanden werden. Dass das in gewissen Maße dem Computer auch möglich werden kann, ist erwartbar, erfasst aber eben nicht das kreative Arbeiten, was an den Menschen gebunden bleibt und eine neue höhere Qualitätsstufe darstellt zurecht z.B. durch ein Patent manifestiert.

Dass unser Gehirn bezüglich Kreativität vom Computer nicht ersetzt werden wird, erklärt auch eine Betrachtung der Arbeitsweise unseres Gehirn beim kreativen Arbeiten: Es funktioniert aus dem Zusammenwirken von Nervenzellen (quasi den elementarsten Speicherelementen) und den Verbindungen mit anderen Nervenzellen zum Aufbau von komplexeren Speichern (Mustern). Die gigantische Anzahl von Nervenzellen von 80 Mdr. [Beck… 2016] pro Gehirn erscheint für Rechnern hinsichtlich der Anzahl Speicherplätze (irgendwann) nach vollziehbar zu sein. Aber jede Nervenzelle ist mit ca. 104Verbindungen mit anderen Nervenzellen verknüpft, wobei diese Verbindungen nicht nur 0 und 1 realisieren können, sondern auch Zwischenschritte, die von anderen Mustern (Gefühlen, Fakten, ….) abhängen können, variieren, … . Erst diese Verknüpfung (Muster) sind Basis für die Informationen im Gehirn. Diese mögliche Verbindungsmenge und Vielfalt durch Programme zu simulieren, und die entstandenen Muster dann auf kreative Lösungen zu bewerten, ergibt solche irrwitzige Zahlen, dass eine technische Realisierung unwahrscheinlich wird, weil z. B. für eine technische Realisierung nicht genügend Atome vorhanden sein dürften.

3. Förderlich für „Kreativität“

Statt sich zuviel Gedanken zu machen, ob der Kern kreativer Leistungen irgendwann dem Computer zugänglich wird – was wohl eher eine Gefahr als ein Nutzen für die Menschen sein könnte -, wäre es nötig, die Bedingungen für den kreativ tätigen Mensch drastisch zu verbessern.

Da kann viel aufgezählt werden. Grundsätzlich muss aber mehr und direkter das Kreativitätsthema in der Ausbildung verankert, die Kreativitätsförderung gesellschaftliches Anliegen und die „negative Seite“ der Kreativität (s. u.) beachtet und Kreativität so ähnlich propagiert werden, wie es jetzt (furchtbar übertrieben) mit der Klimathematik geschieht. Aber was tatsächlich Kreativitätstechniken sind, wie Gedankensprünge wirken, welche Bedeutung der Widerspruch für die kreative Lösung hat, wie nötig Analysen der kreativen Aufgabe sind, was z. B. Bionik, Umkehrschluss (Altshuller) und Verfremdung können, welche Rolle Suchfelder und Speicher spielen, was Trial and error leistet, … müssen schon Allgemeingut werden, wenn Deutschland den nötigen großen Schritt zur Veränderung macht.

Wenn die Bevölkerung zum „positiv sehen“ des Schulschwänzen für’s Klima mobilisiert wird, wird schnell übersehen, das China jetzt die 1 300 000 Patentanmeldungen/a überschritten hat (durchaus hochwertige!), also ca.30 x mehr als Deutschland mit mehr als 40000/a. China habe ja auch viel mehr Einwohner! Stimmt und im Schnitt meldet jeder Chinese doppelt soviel Patente/a an wie die Deutschen!

Aber vielleicht „retten“ die anderen mit ihren Leistungen und intensiver Ausbildung dann die Welt für uns?

Die geniale Erkenntnis Altshuller’s, das nur wenige Dutzend Prinzipien Millionen Patente unterschiedlichster Art ermöglichen, ist doch auch eine Hoffung, dass das Gebiet der Kreativitätsförderung nicht unendlich ausfasert, sondern besser und zielgerichtet gefördert werden kann.

4. Die „dunkle/negative“ Seite von Kreativität

Eigentlich ist „kreativ“ positiv besetzt. Das rührt wohl von der künstlerischen Kreativität und in der Jetztzeit von der „Kreativwirtschaft“ her. Ein Bild von der „blauen Blume“ oder ein schön gebundener Blumenstrauß einer Blumenbinderin strahlen doch nur Schönheit oder andere positiv besetzte Gefühle aus. Sollen sie ja.

Das ist im Bereich der problemlösenden Kreativität, ja oft schon in der Alltagkreativität etwas anders. Da ist schon die „kreative Ausbeute“ oft ein Grund zum Verzweifeln oder Aufgeben. Noch mehr aber i. d. R. die kreative Leistung – die Innovation – selbst, denn eine neue Lösung z.B. ein Patent – wenn es denn endlich erreicht würde – bedeutet, was bisher richtig, der letzte Stand war, gilt nicht mehr, das Neue stellt das bisherige i. d. R. in Frage, bezeichnet es als Überholt, als weniger gut, will es ablösen. Aber das Bisherige hat auch Besitzstände, Anhänger, Privilegien und Positionen, die nicht so einfach aufgegeben werden, werden können oder mit allen – auch unfairen Mittel – verteidigt werden werden. Dabei hat das Bisherige meist gut gebaute Schützengräben und nicht wenig Verbündete.

Da wird deutlich, Kreativität ist gar nicht immer und überall erwünscht und wird auch „tot“ gemacht (Ideenkiller z. B.). Nicht nur den Kindern wird beigebracht, „Du sollst nicht widersprechen!“ Dabei ist der Widerspruch ein kreatives Element, ein potentieller Anstoß zur Veränderung. In [St 1, S.213], dem Buch zu und über Kreativitätstechniken, ist extra ein Abschnitt aufgenommen worden mit dem Thema „Eristik, die Kunst im Dialog „Recht“ zu behalten“- [zurückgehend auf Schoppenhauer] und seine 35 Kunstgriffe, um die Durchsetzungsfähigkeit des Erfinders zu stützen, was leider sehr oft nötig ist. Das ist aber auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Denn manch bedeutende Erfindungen können stark ins Unternehmen eingreifen und dabei auch Positionen gefährden. Da weicht so mancher Konzern (mindestens sein Management) lieber aus, und macht vorsichtshalber nicht allzu viel für Kreativität im Konzern. Es ist doch viel sicherer, einen Newcomer zu beobachten, und wenn er sich durchgestrampelt hat, ihn aufzukaufen. Das ist man auf der sicheren Seite.

Umfassend hat sich zu diesem Fragen Heister [He1] geäußert, der hier zitiert werden soll, weil seine Analyse einfach umfassend und zugleich treffend ist.

Leider muss Heister bestätigt werden, wenn er feststellt, dass in Deutschland eine gewisse technikfeindliche Einstellung vorzufinden und es nicht leicht ist, der problemlösenden Kreativität „… wenigstens öffentliche Akzeptanz zu verschaffen. … Ähnliche Erscheinungen zeigen sich im Bereich der öffentlichen Meinungsbildung. … Das öffentliche Ansehen des kreativen Problemlöser muss dringend zum Positiven verändert werden.“

Es ist das Verdienst von Heister hier eine umfassende, wenn auch deprimierende Analyse vorgelegt zu haben, dabei auch auf die Wirtschaft und ihre oben angedeuteten Hemmnisse für die Kreativitätsentfaltung eingeht, und 60 (!) ernsthafte Komplexe benennt, die dringlich (2013) eine Veränderung benötigen. Der Stand der Patente von Deutschland und China wurde benannt, um eine Einordnung der Leistungsfähigkeit zu demonstrieren. Die Anzahl der deutschen Patente blieb in der gleichen absoluten Größenordnung seit Jahren, die der Chinesen stieg expotentiell!

Es ist schon anerkennenswert von Heister konzentriert beschrieben zu bekommen, welche Hemmnisse die Kreativität [hier immer die in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft] in der Gesellschaft und bei ihrem komplizierten und langwierigen Prozess bis zum Nützlichwerden erfährt. Diese Hemmnisse resultieren durchaus aus den inhaltlichen Problemen des Schaffens einer kreativen Leistung/Innovation, aber auch aus der dunklen oder schwierigen Seite der Kreativität, die Bestehendes als überholt/falsch/uneffektiv erklärt, und damit nicht überall beliebt ist.

Aber das beschrieben zu bekommen ist verdienstvoll, weil aus dem Erkennen der Missstände Veränderungswille erwachsen könnte. Das betrifft nicht nur das Konfliktpotential einer neuen Lösung, das sehr partielle Ansehen des Erfinders, die Hindernisse beim Rechtsschutz, die geforderten Fähigkeit, für seine Lösung zu werben und zu überzeugen, dass Beschaffen der finanziellen Mittel / der Unternehmensbasis, und anderes mehr, wenn ihm denn tatsächlich eine Lösung z.B. eines technischen Widerspruchs überhaupt gelungen ist und er auch noch ohne viel Einsprüche ein Patent relativ spät zu nicht niedrigen Kosten erteilt wurde. Im Unterschied zu einem künstlerisch Kreativen gilt sein exklusiver Verwertungsanspruch aus seiner kreativen Leistung 20 a, beim Künstler noch 70 a nach dessen Tod! Da kann man staunen, dass überhaupt noch Erfindungen entstehen.

Wenn nicht über diese hier „dunkle Seite“ genannten Problemfelder Klarheit herrscht, fehlt einfach der Impuls zum Kompensieren dieser Fakten und die Misserfolge sind produziert. Es ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit das zu propagieren und zu gleich für Unterstützung allumfassend zu sorgen.

Eigentlich müsste der ideale Erfinder nicht der ‚freie Erfinder’ sein, sondern der optimal in ein kreatives Team der Forschung und Entwicklung eines potenten Unternehmens eingebundene Erfinder, exakter: sollte, könnte, … . Die beschriebene Situation in den Unternehmen besagt, dass das trotz der immensen staatlichen Förderung für diese leider nicht so ist.

Trotz der vielen guten Ideen von Heister, was zu machen wäre, wo Detailansatzpunkte möglicherweise liegen, … wird deutlich, der deutschen Politik fehlt einfach eine Vision, wohin die deutsche Gesellschaft gehen soll und was die Stellschrauben sind für welchen Weg. Mehr Innovationen müssten erst einmal gefordert werden – nicht bloß Elektroautos! – um zu erkennen, was dafür gebraucht wird.

Die knapp 60 Anstriche für nötige Untersuchungsfelder ab S. 498 [He 1] verweisen auf eine Problemfülle beim Erreichen von mehr Innovationen. Das ist schon bedrückend. Das Nötige wird zwar nicht nur dort aufgezeigt, aber mir fehlt der Glaube, dass die Gesamtsituation schon so weit ist, dass ein Wechsel erzwungen werden kann. Das schmälert nicht die Aussagen von Heister, sondern zeigt den Mut und die Zuversicht auf, durch beharrliches Benennen der Missstände Veränderungen erreichen zu wollen.

Trotzdem stellt sich die Frage, wie lange kann eigentlich Deutschland (noch) Exportweltmeister sein, bei so sträflicher Vernachlässigung der Kreativität und deren Innovationen sowohl bei der Bildung, über das Studium, die mangelnde Beachtung der Kreativität, ihres Stellenwertes in der Gesellschaft (bis hin zur Familie), ihrer gezielten Förderung, der Schaffung von exzellenten Bedingungen für Talente und Erfinder, die Förderpraxis, Anerkennung und Vergütung, Einbindung in die Wirtschaft und in staatliche Förderprogramme,….? Die „dunkle“ Seite ist offensichtlich dafür mitbestimmend, dass mit Kreativität bei der Kreativwirtschaft eher ein Blumentopf gewonnen werden kann, als auf dem mühevollen, steinigen Weg in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft, also auf dem Feld der problemlösenden Kreativität.

5. Ein Vermittlungs-Minimum zum Vorgehen bei problemlösender Kreativität als Zukunftslösung für Kreativität 4.0“

Mehr als ein Minimum zu konzipieren für eine breitere Nutzung – auch in der nahen Zukunft – würde die Realität verkennen. Das Bildungssystem ist auf lange Zeit nicht in der Lage, selbst irgendwelche Innovationen zu bewerkstelligen. Erst recht nicht anspruchsvolle. Also kann nur ein Minimum sinnvoll postuliert werden.

Das Bildungssystem – von der Oberstufe ab 11. Klassenstufe bis einschl. Studium – sollte es schon sein, denn nur wenn diese Breite erreicht wird, wird sich die nötige gesellschaftliche Akzeptanz und Wirksamkeit nachhaltig ändern. Auch für die berufliche Weiterbildung sollte schon eine Grundsubstanz gegeben werden, weil schon durch die geringe Konstanz des mehrjährigen Beibehaltens eines gewählten Job der nächste Wechsel wieder auf die Grundausbildung zurückgreifen kann und wird. Das gilt um so mehr, als in Zukunft durch die Digitalisierung der Anteil des Menschen an den informationellen Prozessen immer mehr beim kreativen Anteil liegen wird. Und dafür braucht er mehr als seine universelle Strategie des ‚trial und errors’.

Zu diesem Minimum für das Bildungssystems, um anspruchsvolle Kreativität, also sinnvollerweise problemlösende Kreativität vermitteln zu können, sollten mindestens drei Komplexe gehören, die im Minimum z.B. einmalig nur etwa 7 Wochenstunden benötigen könnten, um die Sachsen die Schulbildung in 2019 gekürzt hat:

  1. Ein (kurzer) Exkurs über Kreativität, was sie ist, wie sie wirkt, Ergebnisform z.B. Patent, Schutzrechte, Beispiele für Kreativitätstechniken, Gesichtsfelderweiterung, Kombinationsmethode, Bionik, Kreas – nur als Überblick mit evtl. einfachen Beispielen aus Denksportaufgaben zur schnellen Demonstration mit Überzeugungseffekt.
  2. Die Bedeutung von Aufgabenstellungen u. ihrer gründlichsten Analyse für kreative Themen.

Wenn es bei der Aufgabe tatsächlich um Neues geht, ist eigentlich verständlich, dass das eigentlich Neue eigentlich unbekannt ist, also eigentlich schwer zu beschreiben ist. Das ist das Dilemma jeder „echt“ kreativen Aufgabenstellung. Denn das ‚unbekannte Neue’ klar genug zu beschreiben, geht eigentlich gar nicht!

Daraus wird verständlich, dass solche Aufgabenstellung nahezu immer ungünstig formuliert sind oder falsche Vorgaben enthalten, unvollständig oder „vergiftet“ usw. – kurz mit Mängeln behaftet – sind. Es darf konsequenterweise keine Ideenfindung beginnen, wenn nicht die Aufgabenstellung entsprechend aufbereitet, präzisiert ist. Ohne gründliche Analyse werden vorhandene Mängel der Aufgabenstellung meist erst im schon fortgeschrittenen Arbeitsprozess erkannt. Sie können – wenn überhaupt – meist nur mit immensem Aufwand korrigiert werden. Das muss jedem klar sein.

Es gilt sogar die Aussage: wenn es richtig ist, im Problemlösungsprozess rationell vorzugehen – also Aufwand zu sparen –, bedeutet ‚rationell’ für die Analysephase der Aufgabenstellung: diese besonders gründlich, ja langsamzu durchlaufen, dort keineswegs Zeit, Zwischenschritte usw. einzusparen. Die Analyse der Aufgabenstellung präzisiert schließlich das Ziel, den Zweck und die nötigen Aktivitäten des Problemlösens. Je besser sie das tatsächliche Ziel erfasst, umso weniger Umwege, Fehlentscheidungen und Irrtümer verlängernden Weg zur Lösung. Das ist der entscheidende Wert der Analyse für die Problembearbeitung. Bei der Analyse der Aufgabenstellung helfen Analyseprogramme und andere Kreativitätstechniken. Das A2-Programm, selbst die einfachen 7 –W- Fragen, stellen die Aufgabenstellung z. B. in jeweils mehreren Aspekt dar (was, warum, wie, womit, wann, wo, wer) und aus der jeweils spezifischen Betrachtung der Aufgabenstellung unter einem solchen Aspekt dringt der Bearbeiter jeweils tiefer in die Problematik ein. So gewinnt er die nötigen Informationen zur Aufgabenstellung. Das ist exemplarisch zu demonstrieren. Idealerweise umfasst der Aufgabenstellungskomplex die Analyse der Aufgabenstellung einschließlich des IER (idealen Endresultat) bis zur Widerspruchsermittlung

Leider gibt es „Kreativität“-Autoren, die solche Analyseprogramme gar nicht erwähnen oder wiedergeben. Damit zeigen sie deutlich, ihre Kreativitätseinschätzung ist nicht auf ernsthafte Kreativität gerichtet.

  1. Die Widerspruchsthematik mit Verweis auf die Palette von Kreativitätstechniken.

Widersprüche sind umgangssprachlich mehrfach „ungünstig“ besetzt. Schon als Kinder sollten wir nicht widersprechen. Was für die Kreativitätsentwicklung in vielen (nicht allen) Fällen falsch war! Denn Hinterfragen ist durchaus kreativ / kann sehr kreativ sein. Außerdem, wer hat schon gern einen Widerspruch zu lösen! Das geht doch gar nicht oder? Ein Widerspruch liegt z. B. dann vor, wenn etwas zugleich ‚offen und geschlossen’ sein soll oder ‚kalt und warm’. Als Widerspruchslösung werde gefordert, dass nicht z. B. „halboffen“ oder „lauwarm“ raus kommen soll.

Es darf nicht sein, dass ein Hochschulabsolvent nicht weiß, welche Bedeutung Widersprüche für Innovationen haben. Einen Widerspruch zu lösen, bedeutet eine hoch anspruchsvolle Lösung bei (mindestens) zwei gegenläufigen Faktoren zu finden, die beiden Faktoren genügt und sie nicht durch einen Kompromiss abschwächt.

Der Begriff ‚Optimum’ (das ‚Beste’) für eine solche Kompromiss-Zielstellung führt irre, zu einem faulen Kompromiss. Es müsste Kompromiss oder Melioration heißen, denn beim Optimieren werden die gegenläufigen Faktoren für die Lösung gegenseitig ‚verstümmelt’. Das Beste erfordert eine Widerspruchslösung, s. Bild.

Das wird aber kaum gelehrt und viel zu verbreitet ist: Widersprüche sind nicht lösbar (alternativlos!!) oder wenn, nur mit Kompromissen: Dem ist aber nicht so! Ganz im Gegenteil: das Erkennen eines Widerspruchs in einer konkreten Entwicklungssituation ist eine Sternstunde für Innovationen/Erfindungen. Erst eine Widerspruchslösung bringt eine neue Qualität, technisch die Basis für ein Patent.

An einfachsten Beispielen kann schon vor dem Abitur der Wert von Widerspruchslösungen vermittelt werden. Wenn dann noch Problemlösungsverfahren vorgestellt werden, ist schon ein Grundstock vorhanden.

Bild 1: Wege zur Problemlösung: Optimierung und Widerspruchslösung

6. Fazit

Der kreative Mensch und nicht die angeblich kreative Maschine wird nach wie vor unsere Zukunft bestimmen.

Es ist unschwer erkennbar, hier geht es direkt gar nicht um den Übergang der Kreativitätsthematik auf den Computer. Um die Kreativität 4.0 umsetzten zu können geht es erst einmal um eine drastische Anstrengung, Kreativität einen nötigen Stellenwert in der Gesellschaft und Ausbildung zu verschaffen. Zugleich sollte auch aufgezeigt werden, dass solange zu Kreativität, ihrem Kern, selbst viel unklar ist, ist ein Nachvollziehen des menschlichen Vorgehens auf dem Computer unwahrscheinlich.

Nötig wäre es deshalb, so früh wie möglich im Rahmen der allgemeinen Ausbildung die Grundlagen des kreativen Arbeitens und nötige Kreativitätstechniken zu vermitteln.

Literatur

[He 1] Heister, Matthias W. M.: „Bildung Erfindung Innovation“. Band 2 Expertenwissen für Erfinder und Unternehmer. Bonn: Verlag Iduso GmbH 2013 ISBN 978-3-9810837-5-0

[Ka 1] Kahnemann, D.: Schnelles Denken, langsames Denken. Siedlerverlag München 2012

Kleinröhrsdorf, den 27.09.2019